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Die Autoren von Mus.ms. 3155

Nicole Schwindt

Die Dominanz Ludwig Senfls als am häufigsten zu eruierender Urheber der Tonsätze deutet zwar auf eine maßgebliche Rolle des Komponisten bei der Kompilation des Ur-Kodex, doch ist er keinesfalls – wie im von Wagenrieder geschriebenen Teil – der einzige Autor. Vielmehr bekundet die Auswahl der 79 ursprünglichen Sätze, dass durchaus ein Querschnitt durch die Liedsituation der Regentschaft Kaiser Maximilians angestrebt war. Die Tatsache, dass im Hauptteil so wie in anderen Liedhandschriften und -drucken bis um 1520 keine Namen genannt sind,[10] erschwert allerdings die Einschätzung. Erst über Konkordanzen in späteren Quellen lassen sich 23 Sätze relativ sicher Senfl zuweisen, 14 weitere sind zweifelhaft. Die (wenigen) widersprüchlichen Autorangaben beziehen sich allerdings stets auf solche Komponisten aus dem maximilianischen Umfeld, die auch als Urheber anderer Lieder der Sammlung oder der zeitgenössischen Liedbuchdrucke eruiert werden konnten: auf seinen Lehrer Heinrich Isaac und den Wiener Organisten Wolfgang Grefinger.

Jeweils ein Lied weisen die Konkordanzen dem Singknaben Adam Rener zu, der als Erwachsener 1503 an Maximilians Hof als „Componist“ diente, Sixt Dietrich, dem aus Augsburg gebürtigem Sänger am Konstanzer Dom bis 1508, und dem „Machinger“ (d. h. aus Maichingen stammenden) Beat Widmann, ab 1505 Rat in württembergischen Diensten und auf dem Reichstag 1507 in Konstanz in Kontakt mit der habsburgischen Hofkapelle. Ob es wirklich um die bewusste Aufnahme von Liedern genau dieser Personen ging, ist fraglich, denn die drei Lieder sind auch in Erhard Öglins Augsburger Liederdruck von 1512 (»[68 Lieder]) enthalten. Indirekt bezeugt diese Publikation indes, dass sie zum maximilianischen Repertoire gehörten. Zweifellos war dies auch bei den sieben (oder  neun) Liedern der Fall, die von einer anderen Autorität der Hofmusik, dem – übrigens mit Grefinger befreundeten – Organisten Paul Hofhaimer stammen. Die namentlichen Identifizierungen stehen oft genug auf tönernen Füßen, denn auch Angaben in späteren Quellen können irrig sein: Die „Nester-Methode“, die von einer blockweisen Eintragung mehrerer Stücke eines Autors ausgeht, ist äußerst fragwürdig, und stilistische Zuweisungen bzw. Ablehnungen sind immer stark risikobehaftet. Bei 27 Einträgen bleibt die Autorschaft bislang völlig ungelüftet.