Beispiel 2: Augsburger Reichstag von 1530
Holzschnitt von Jörg Breu d.Ä. aus einem Zyklus zum Einzug Karls V. in Augsburg. Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig / Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Virtuelles Kupferstichkabinett. (http://kk.haum-bs.de/?id=j-breu-d-ae-wb3-0049).
Abb. Trompeter gegenüber Armbrustschützen beim Einzug Karls V. in Augsburg 1530
Beim Augsburger Reichstag des Jahres 1530, so heißt es in der Chronik des Augsburger Benediktiners und Geschichtsschreibers Clemens Sender (1475-1537),[18] zieht der Kaiser in die Stadt ein mit (ich kürze im Folgenden nur leicht) eintausend Landsknechten zu Fuß; ihnen folgen spanische Adlige, dann der Sohn des Kurfürsten von Sachsen (nebst seinem Reisetrupp), danach die Delegation des Pfalzgrafen (der selbst wegen Krankheit nicht kommen konnte), danach der Trupp des Markgrafen von Brandenburg, danach die Reisetrupps des Herzogs von Sachsen und des Mainzer Erzbischofs, dann die Trupps der Erzbischöfe aus Köln und Trier – etwas später dann die Trupps der geistlichen und weltlichen Fürsten, „ain jedlicher nach seiner ordnung“.[19] Danach kommen Edelknaben, dann Söhne von Fürsten und Grafen, dann die Räte von Kaiser und König – und schließlich beginnt der wichtigere Teil des Einzugs, mit 14 Trompetern, der kupfernen Heerpauke („kupferin hörbaugen“),[20] dahinter die weltlichen Fürsten – und dann schließlich „des kaisers 2 herolden in irer klaidung mit dem adler und des kinigs 2 herolden in iren klaidern mit des kinigs wappen“.[21] Und nach den Herolden kommen die obersten Hofmeister mit je einem Zepter, dann ein Priester mit dem Kreuz des päpstlichen Gesandten und dann endlich kommen die Kurfürsten – und hinter diesen kommt dann der Kaiser. Die kaiserlichen und königlichen Herolde stehen also mit den obersten Hofmeistern – und vor den Kurfürsten – an der Spitze des Teils des Zuges, der das Reich repräsentiert.[22] Schon beim Einzug Maximilians zur Königskrönung in Aachen am 4. April 1486 marschierte „eine größere Zahl von Persevanten, Herolden und Wappenkönigen auf die Musiker folgend vor den geistlichen und weltlichen Fürsten“.[23] (» Abb. Reichsherold zu Pferd.)
Der Einzug – den Jörg Breu der Ältere in einem Holzschnittzyklus dargestellt hat –[24] fand am 15. Juni 1530 statt. Am 18. Juni erhalten die Herolde eine wichtige Aufgabe. Der Kaiser nämlich hat versucht, die lutherischen Fürsten von ihrem – aus kaiserlicher Sicht – Irrglauben abzubringen. Als diese sich weigern, schickt der Kaiser „die 3 herold mit iren steblachen [Stäben] und 12 trumether und hörbauger [Heerpauker] und etwa vil raisiger pferd hie zuo Augsburg […] für alle häusser, darin die lutherischen fürsten zuo herbig [Unterkunft] sind gelegen. da haben die herolden an ainem jedlichen ort miessen berieffen [rufen] und ausschreien, welcher aus den Lutherischen predige oder an ir predig gang, solich all welle kai. mt. [alle diese werde die Kaiserliche Majestät] mit der höchsten straff straffen. und sind alweg“ [immer] 2 trumether auff ainem roß hinder ainander gesessen.“[25] Auch hier tauchen Herolde also in Begleitung von Signalinstrumenten auf, scheinen selbst aber grundsätzlich kein Instrument gespielt haben – zumindest nicht in ihrer Rolle als Herold.[26]
[18] Zum Autor vgl. Liebhart [https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/sende….
[21] Roth 1894, 275, 275, Z. 17-19.
[22] Zur Rolle der Herolde bei Einzügen, Herrschertreffen und Krönungen siehe auch Bock 2015, 280-287.
[24] Zum Holzschnittzyklus siehe Cuneo 1998.
[25] Roth 1894, 281, Z. 11-17.
[26] Ab und an wird in der Forschung eine „Heroldstrompete“ erwähnt, z.B. mit Abbildung: (Bowles 1977), 78-79. Wenn ich recht sehe, handelt es sich nicht um die Trompete eines Herolds, sondern um eine mit einem Wappentuch versehene Trompete, die dann – wie die anderen Trompeten eben auch – von einem Trompeter gespielt wurde. Zu sehen sind diese Trompeten in » Abb. Trompeter gegenüber Armbrustschützen.
[2] Bock 2015, 22.
[3 Peters 1976, 233.
[5 Scheibelreiter,ca. 2010, Sp. 968-970.
[8] Vgl. von Moos 2006, 158-159, zur Einkleidung des Herolds und zum Namenswechsel: „In der immer komplexer werdenden Entwicklung der Heraldik, deren Grundfigur doch stets die Verortung eines Individuums in einer Gruppe und der Gruppe in der Gesamtgesellschaft darstellt, bedeutet diese ‚Investitur‘ eine symbolische Personifizierung, gewissermaßen die spiegelbildliche Identitätsrepräsentation des Herrn durch seinen Herold.“ Vgl. außerdem Bock 2010: Dort finden sich weitere Überlegungen zum „Verständnis des Herolds als ‚Medium‘“ (S. 265) sowie Hinweise auf entsprechende Forschung.
[9] Richental 2013, 12, Z. 7-8.
[10] „Item recht herolten von allen künigrichen, die der küng wapen truogend und ir bottschaft wurben und iro herren er und wirdikait uß sprachen […]“ (offizielle Herolde aller Königreiche, die die Wappen der Könige trugen, ihre Botschaften ausrichteten und die Ehre und Würde ihrer Herren verkündeten): Richental 2013, 169, Z. 21-22.
[11] Richental 2013, 47, Z. 24-29.
[12] Schuler 1966, 163. Neuere Forschung bei Morent-Leopold-Steinheuer 2017.
[13] Richental 2013, 206, Z. 20-21. Manfred Schuler weist darauf hin, dass bei der Zahl von 1700 „allerdings die Familienangehörigen und das Hausgesinde mit inbegriffen“ seien (Schuler 1966, 163).
[15] „Die Quellentexte“, so Manfred Schuler in seinem einschlägigen Aufsatz (Schuler 1966), „belegen […] die Posaunisten und Trompeter meist unterschiedslos mit der Bezeichnung Posauner (prusuner), während die Spieler der Holzblasinstrumente allgemein Pfeifer (pfifer; fistulatores) genannt werden. Analog dazu dient das Wort ‚tuba‘ als Sammelbegriff für die Holzblasinstrumente“. (Schuler 1966, 163). Abbildungen, Beschreibungen und Hörbeispeile zu den Instrumenten: » H. Instrumentenmuseum. Zu Tätigkeit und Lebensbedingungen der Instrumentalisten vgl. » E. Musiker in der Stadt.
[17] Schuler 1966, 168. Vgl. auch » E. Die Klang-Aura der Stadt. Kap. Stadt- und Hoftrompeter, Anm. 29. „König Sigismund erteilte auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) Trompeterprivilegien an die Freien Reichsstädte Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Ulm“ (Żak 1979, 149–155).
[18] Zum Autor vgl. Liebhart [https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/sende….
[22] Zur Rolle der Herolde bei Einzügen, Herrschertreffen und Krönungen siehe auch Bock 2015, 280-287.
[24] Zum Holzschnittzyklus siehe Cuneo 1998.
[26] Ab und an wird in der Forschung eine „Heroldstrompete“ erwähnt, z.B. mit Abbildung: Bowles 1977, 78-79. Wenn ich recht sehe, handelt es sich nicht um die Trompete eines Herolds, sondern um eine mit einem Wappentuch versehene Trompete, die dann – wie die anderen Trompeten eben auch – von einem Trompeter gespielt wurde. Zu sehen sind diese Trompeten in » Abb. Trompeter gegenüber Armbrustschützen.
[27] Suchenwirt 1827, „Eralden und gernde leut“. Vgl. auch die hier in » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner), Anm. 15, zitierten Ausgaben.
[29] Achnitz 2008, 497.
[30] Achnitz 2008, 497-498.
[31] Kellermann 2000, 94.
[32] Niemeyer 2001, 39.
[33] Niemeyer 2001, 51.
[34] Zu Gesang und Liedvortrag bei Beheim vgl. Spriewald 1990. Außerdem: Wachinger 1979, 37-75.
[35] Scheibelreiter, „Herold“, Sp. 968-970 [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[36] Ich danke Reinhard Strohm für den Hinweis auf diesen Holzschnitt.
[37] Graf, Klaus. „Parzival als Nebenform für Persevant“ (https://archivalia.hypotheses.org/1668).
[38] Beispiele vor allem bei Pietzsch 1966 und Pietzsch, Musik in Reichsstadt (1966/1967), 73-99.
[39] Kellermann, Karina, und Albert Gier: „Heroldsdichtung“, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 4, Sp. 2173-2174.
[41] Bock 2015, 321.
[42] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Michel Beheim.
[43] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Reimreden und Spruchtöne in Österreich im 14. und 15. Jahrhundert.
[44] Stichworte zu den Veränderungen bei Scheibelreiter: „Herold“, Sp. 968-970. [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[45] Bebermeyer, Gustav. Art. „Pritschmeister“, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 3 (1977): 257-262, 257b.
Empfohlene Zitierweise: Ott, Michael R., „Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530), in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich, <Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530) | Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich> (2024).