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Herolde im deutschsprachigen Raum

Michael R. Ott

Das Wort „Herold“ wird in der Mitte des 14. Jahrhunderts in den deutschsprachigen Raum übernommen. Zuvor hat man dort andere Begriffe verwendet („garzûn”; „kroijierære”, d.h. „Ausrufer“; „knappe von dem wâpen”), um das zu bezeichnen, was in England und Frankreich schon länger  „Herold” („herald“, „héraut“) genannt wurde.[1] Mit der Übernahme des Begriffs passt man sich im deutschsprachigen Raum also an weiter verbreitete begriffliche Gepflogenheiten an. Zugleich markiert diese Übernahme eine wichtige Schwelle in der Entwicklung eines spezifischen gesellschaftlich-kulturellen Tätigkeitsbereichs; eine Entwicklung, die von Aufgaben bei der Durchführung von Turnieren im 12. Jahrhundert bis hin zu den Pritschmeistern beim Festschießen (der Vorform der Schützenfeste) ab dem 15. Jahrhundert reicht. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nämlich stehen diejenigen, die nun auch im deutschsprachigen Raum häufiger mit dem Begriff „Herold” bezeichnet werden, mehr und mehr in einem festen Dienstverhältnis eines Herrn.[2] Die Schwelle, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts erreicht wird, ist also die Etablierung und Institutionalisierung eines Amts, des Amts des Herolds.

Herolde sind „als militärische und politische Gesandte, Zeremonienmeister bei Turnierfestlichkeiten und heraldische Experten“[3] Repräsentanten des jeweiligen Herrn. Deshalb erhalten Sie neben einem Heroldsstab („eine Variante des Zepters und ein Symbol der Autorität“)[4] einen Wappenrock, „auf dem die Symbolzeichen ihres Herrn, des durch sie repräsentierten Herrschaftsgebiets oder des jeweiligen Hofordens angebracht waren“.[5] Außerdem werden Sie mit einem Amtsnamen benannt, der sich auf den Herrn bezieht, zu dem sie gehören. Zu Geldern etwa gehört der Herold namens „Gelre“, zu Ungarn der Herold „Ungerland“, zu den österreichischen Herzogen Herolde namens „Tirol“ und „Steierland“ – und so weiter. Zu bedenken ist dabei, dass Herolde ihren Herrn auch wechseln oder mehreren Herren dienen konnten. Außerdem gilt: „[…] Städte führen keine Herolde.“[6] Der oberste Herold des Kaisers wird zunächst „Romreich“ genannt, bevor der Amtsname mit der Regentschaft Kaiser Karls V. (reg. 1530-1558) durch den Namen „Teutschland“ ersetzt wird.[7] Karls oberster Herold Kaspar Sturm konnte sich seit der Königskrönung seines Herrn in Aachen am 23. Oktober 1520 „Reichsherold Teütschlandt“ nennen (» Abb. Herold mit Heroldsstab und Wappenrock bei der sogenannten Helmschau).

Als Repräsentanten ihres Herrn sind Herolde seit dem 14. Jahrhundert, wenn man es in medialer Hinsicht genauer formulieren will, eine Erweiterung des Mundes, der Augen und der Ohren des Herrn und sie können dort für ihn einstehen, wo er gerade (noch) nicht ist beziehungsweise nicht sein kann.[8] Auf diese Weise vergrößern Herolde den körperlichen Wirkungsbereich eines Herrschers, erweitern seine Autorität und seine Aura.

[1] Bock 2015, 60-75.

[2] Bock 2015, 22.

[3] Peters 1976, 233.

[4] Bock 2010, 278.

[5] Scheibelreiter, „Herold“, Sp. 968-970 [www.HRGdigital.de/HRG.herold].

[6] Bock 2015, 159.

[7] Bock 2010, 277. Dazu auch passim Bock 2015.

[8] Vgl. Von Moos 2006, 158-159, zur Einkleidung des Herolds und zum Namenswechsel: „In der immer komplexer werdenden Entwicklung der Heraldik, deren Grundfigur doch stets die Verortung eines Individuums in einer Gruppe und der Gruppe in der Gesamtgesellschaft darstellt, bedeutet diese ‚Investitur‘ eine symbolische Personifizierung, gewissermaßen die spiegelbildliche Identitätsrepräsentation des Herrn durch seinen Herold.“ Vgl. außerdem Bock 2010: Dort finden sich weitere Überlegungen zum „Verständnis des Herolds als ‚Medium‘“ (S. 265) sowie Hinweise auf entsprechende Forschung.