You are here

Die Laute in humanistischen Kreisen

Kateryna Schöning

Laute spielen zu können gehörte spätestens ab dem frühen 16. Jahrhundert zu den obligatorischen Beschäftigungen unter Humanisten. Dies ist besonders für die hohen Gesellschaftskreisen gut belegbar. Bekannt ist zum Beispiel, dass der Augsburger Humanist und Sammler Hans Heinrich Herwart (1520–1583) nicht nur selbst Laute spielte, sondern ein Ensemble u.a. von Lautenisten hatte.[11] Sein Interesse für die Lautenmusik schlug sich in seiner umfangreichen Sammlung von Lautentabulaturen nieder.[12] Herwart und mit ihm befreundete Schreiber seiner Lautentabulaturen bilden die  Angelpunkte eines humanistisches Netzwerks von Lautenisten, welches sich von norditalienischen Gebieten (insbesondere Padua) bis zu süddeutschen Städten erstreckt. Schreiber B und F der Herwart-Sammlung[13] hatten einen engen Bezug zu Italien bzw. waren sogar selbst italienischer Herkunft. Ihre Beiträge schrieben sie jedoch in Augsburg. Mit Schreiber B verband Herwart eine freundschaftliche Beziehung im Sinne der humanistischen Libri-Amicorum-Tradition, was aus dem Widmungseintrag „CARO A. H. HE“ (=„Caro Amico Henrico Herwart“) der Handschrift D-Mbs Mus.ms. 266, fol. 48v, zu schließen ist. Die Referenzen in Richtung Padua, hier explizit zur Paduanischen Universität, lassen vermuten, dass der Humanist und Sammler Martin Crusius (1526-1607), Tübinger Professor für griechische und lateinische Sprache, wandernde Scholaren aus Padua unterstützte und „einem Lautenisten aus Padua als musikalische Persönlichkeit“ bekannt gewesen war.[14] Crusius stand in Kontakt mit Georg Reismüller, dem Lautenisten, der um 1554 in Augsburg wirkte und in den 1570er Jahren nach Stuttgart wechselte. Crusius selbst beschäftigte sich tiefgreifend und vielseitig mit Musik. In seinen Studien interessierten ihn vor allem erzieherische und ethische Werte der Musik, die er – humanistisch geprägt – auf die antiken Autoren zurückführte. Er sammelte Musikinstrumente und hatte u.a. „ein virginale, eine chitara[15], eine größere und eine kleinere Laute“, die er gerne spielte. Das unmittelbare Umfeld von Crusius bildeten außerdem die Musiker des „Fürstlichen Stipendiums“ des Tübinger Stiftes, unter denen z.B. M. Blasius Braun als Sänger und Lautenist genannt wird.[16] Unter den anerkannten Humanisten ist ebenfalls der Augsburger Lautenist Georg Sigismund Seld (1516–1565) zu nennen, der in Padua studierte und ab 1547 in kaiserlichen Diensten stand.[17] Am Beispiel des Humanisten und Pädagogen Veit Bulling (» Abb. Veit Bulling, 1525; » Kap. Laute als Symbol) wird deutlich, dass die Beherrschung der Laute als Teil des universalen pädagogischen Könnens im 16. Jahrhundert – und damit der humanistischen Tugend (virtus) – angesehen wurde .

[11] Ness 1984, 132.

[12] Martinez-Göllner 1969, 29-48; Göllner 1979Ness 1984.

[13] Schreiberklassifikation nach Martinez-Göllner 1969, 41-43.

[14] Reichert-Lechner 1953, 196-197.

[15] Der Begriff chitara wurde im 16. Jahrhundert oft als ein Sammelbegriff für die Saiteninstrumente wie Laute, Quinterne oder Lyra verwendet.

[16] Reichert-Lechner 1953, 187, 189, 190-192, 193 Anm. 1.

[17] Josef Zuth, Handbuch der Laute und Gitarre, Hildesheim, Zürich, New York 2003, 254.