Die Mondsee-Wiener Liederhandschrift
Die älteste der Sammelhandschriften mit Noten, die einen bedeutenden Teil der geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg enthält, ist die „Mondsee-Wiener Liederhandschrift“ (Sigle „D“), » A-Wn Cod. 2856 (“Mondsee-Wiener Liederhandschrift”).[8] Das sogenannte „Spörlsche Liederbuch“ entstand wahrscheinlich 1455/1456 in Salzburg und wurde von zwei Schreibern verfasst. Erste Nachträge wurden kurz vor 1470 eingefügt. Nur der ursprünglich unabhängige Mittelteil ist die eigentliche Liederhandschrift und enthält 100 Gedichte und 83 Melodien, wovon 24 geistliche und 56 weltliche Lieder dem Mönch zugeordnet werden können – die Hauptüberlieferung seines Gesamtwerkes. Nur zwei dieser Lieder sind dem Mönch namentlich zugewiesen: „Des Munichz passion“ (Die nacht wirt schir des himels gast, G 23)[9] und der Cisiojanus, ein Merklied über die Feste des Kirchenjahres: „Hier hebt sich an ein Teutscher Cisioianus des Münichs“ (Besniten wirdigleichen, G 45 ). Bei 24 Liedern hat eine spätere Hand den Autorennamen nachgetragen: „des Münichcz“, „des Munichcz“ oder „Münich“.
Ihren Namen erhielt die Handschrift, weil sie sich gegen Ende der 1460er Jahre im Besitz des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl befand. Dieser ließ in der Folge dem Korpus weitere 12 Lieder des Mönchs und Meistersingerlieder von Heinrich von Mügeln, Klingsor, Barthel Regenbogen und Albrecht Lesch hinzufügen. Zwischen 1477 und 1492 kam die Handschrift unter dem damaligen Abt Benedikt II. Eck von Piburg mit drei anderen Codices an das Kloster Mondsee, wo sie mit den zwei anderen Teilen zusammengebunden wurde. Als das Kloster im Zuge der Josephinischen Reform aufgehoben wurde, gelangte sie 1795 nach Wien in die damalige Hofbibliothek und heutige Österreichische Nationalbibliothek. Zu Beginn von D steht die neu komponierte Sequenz[10] Ave, Balsams Creatur (G 1) mit der nachgetragenen Überschrift „Das guldein abc des Münchcz“, bei welcher jede Doppelstrophe mit einem fortlaufenden Buchstaben des Alphabets beginnt, bei der ersten Strophe sogar jedes Wort. Es folgen Pluom gezartet [11] auf die Melodie der Fronleichnamssequenz Lauda Sion (G 2) und Richer schatz der höchsten freuden auf die Melodie der Sequenz Salve mater salvatoris (G 3). Das erste dieser Lieder enthält ein Akrostichon „Pylgreim Erczpischof Legat“, welches sich aus den Anfangsbuchstaben sämtlicher Halbstrophen zusammensetzt, und das zweite das Akrostichon „Richerus Plebanus in Rastatt“. Am Schluss des Korpus steht der Cisiojanus. Die Reihung hat wohl der Schreiber selbst vorgenommen.
[8] Faksimileausgabe von Heger 1968.
[9] Bei diesem Lied bricht die Notierung nach eineinhalb Zeilen ab. Das Lied ist hingegen vollständig erhalten in der Kolmarer Liederhandschrift (D-Mbs Cgm 4997): vgl. Lütolf 2003-2010, Nr. 151. (Hinweis von Andrea Horz.)
[10] Man kann dieses Stück auch als Leich bezeichnen. Die formale Anlage aa, bb, cc, … ist die gleiche.
[11] Vgl. Spechtler 1972, 125-128; Waechter 2004, 35-39 und 211-214.
[1] Editionen: Spechtler 1972 bietet eine vollständige Textausgabe der geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg und führt die Zählung für die geistlichen Lieder des Mönchs ein: G + Nummer des Liedes; März 1999 ediert Texte und Melodien mit Kommentaren der weltlichen Lieder und führt dafür die Zählung W + Nummer ein; Waechter 2004 bringt alle Melodien des Mönchs mit Kommentar.
[2] Vgl. Spechtler 1972, 92.
[3] G 22. Die Zuschreibung ist nicht gesichert: vgl. » B. Geistliches Lied, Anm. 51.
[4] Vgl. Spechtler 1972, 69; Wachinger 1987, 662.
[5] Vgl. Zimmermann 1995, 314–316.
[6] Vgl. Wachinger 1987, 659.
[7] Beschreibung aller Handschriften bei Spechtler 1972, 34–99, und Waechter 2005, 203. In Klammer stehen im Folgenden die in der germanistischen Fachliteratur gebräuchlichen Siglen.
[8] Faksimileausgabe von Heger 1968.
[9] Bei diesem Lied bricht die Notierung nach eineinhalb Zeilen ab. Das Lied ist hingegen vollständig erhalten in der Kolmarer Liederhandschrift (D-Mbs Cgm 4997): vgl. Lütolf 2003-2010, Nr. 151. (Hinweis von Andrea Horz.)
[10] Man kann dieses Stück auch als Leich bezeichnen. Die formale Anlage aa, bb, cc, … ist die gleiche.
[11] Vgl. Spechtler 1972, 125-128; Waechter 2004, 35-39 und 211-214.
[12] Vgl. Wachinger 1989, 77–79.
[13] Vgl. Wachinger 1987, 660.
[14] Heger 1968, 29.
[15] Ein Leutpriester (Plebanus) war für die Seelsorge der Laien zuständig und hatte pfarrliche Rechte. Daher wird der Ausdruck oft synonym für „Pfarrer“ gebraucht.
[16] Zur Bedeutung Pilgrims für die Entwicklung der Musik in Salzburg siehe: Welker 2005, 76–87.
[17] Das Lied wird aufgrund seiner Überschrift mit Schloss Freisaal in Salzburg in Zusammenhang gebracht. Die Personenangabe könnte aber auch eine dichterische Fiktion sein. Vgl. hierzu Engels 2012.
[18] Dass dabei auch mehrstimmige Musik erklang, wurde oft vermutet, lässt sich aber nicht nachweisen.
[20] Vgl. Spechtler 1972, 15–16.
[21] Vgl. Spechtler 1972, 16–17.
[22] G 5 und G 9. Zu den Personen siehe Spechtler 1972, 17–18.
[23] D-Mbs Cgm 715.
[24] Unter „Predigerorden“ werden die Dominikaner verstanden.
[26] Heger 1968, 27. Dies trifft nicht zu. Ein Vergleich des Cisiojanus G 45 mit dem Kalender im Breviarium Salisburgense (Nürnberg: Stuchs 1497) zeigt, dass alle Heiligen auch dort aufgelistet sind, mit folgenden Ausnahmen: „Magdalen becheret“, d. i. Maria von Ägypten 1.4., Bernhard 20.8., Felix von Zürich 11.9., und das Gedenken an Ester im Advent.
[28] Pokorny 2012, 105.
[29] Klein 2012, 59.
[30] Spechtler 1972, 13.
[31] Vgl. Wachinger 1989, 159.
[32] Zu den einzelnen Gattungen siehe Waechter 2005, 53–58; zu den Tönen des Mönchs Wachinger 1989, 159–197.
[33] Vgl. Waechter 2004, 75, 239; Waechter 2005, 6–8, 211, 263–264. Vgl. Kap. Ton und Kontrafaktur: der Barantton.
[34] Spechtler 1972, 167. Unter „par“ (= Bar) versteht der Schreiber hier eine ganze Strophe.
[35] Vgl. Spechtler 1972, 6, Anm. 9.
[36] Eine ausdrückliche Zuweisung an den Mönch ist in den Handschriften nicht vorhanden. Der Autorenname in D ist nachgetragen. Aufgrund der unterschiedlichen Textüberlieferung zweifelt Wachinger die Autorenschaft des Mönchs an (Wachinger 1989, 36).