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Kirchen- und Stadtrechnungen

Reinhard Strohm

Die Kirchenrechnungen von St. Stephan sind erst ab 1404 und nur lückenhaft erhalten, diejenigen von St. Michael erst ab 1433.[51] Hier gibt es manche Ausgaben zur Besoldung musikalischer Dienste. An St. Michael waren bereits 1433 Organist und Schulmeister fest installierte Ämter; zusätzlich taucht seit 1444 ein Kantor („Chorschuler“) auf.[52] An St. Stephan erhielt der Kantor ab 1404 jährlich ½ tl. (120 d.) für das Singen der „chlag“, nämlich der Lamentationen Jeremiahs am Karfreitag (» A. Osterfeier, Kap. Die Finstermette an Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag).[53] Ebenfalls in der Karwoche wurde, wie weithin üblich, der gesamte Psalter vorgetragen. Hierzu setzte man (unter Leitung des Accusators) 12 Schüler ein, von denen jeder 36 d. erhielt. Außerdem gab man ihnen ein Frühstück um 26 d. 1420 und 1422 wurde das Frühstück auch „zwei Hütern bei dem grab“ spendiert.[54] Diese beiden Karwochendienste haben lange Texte, die nicht melodisch, sondern rezitierend vorzutragen waren. Die besondere Feierlichkeit und Mühe der Einstudierung wurden belohnt, nicht etwa eine musikalische Ausgestaltung. Viele Ausgaben des Kirchmeisters von St. Stephan galten dem „Singen in“ (oder auf) „der Orgel“, wie man das Orgelspiel nannte. Der Organist erhielt für das Spielen auf der „kleinen Orgel“ jährlich 3 tl. Sicher war diese ein Positiv, das in der Kirche verschoben werden konnte, denn wesentliche Aufgaben (und zusätzliche Einkünfte) für den Organisten ergaben sich aus Stiftungen, die verschiedene Altäre betrafen.[55] Auch für das Stimmen[56] und kleinere Reparaturen an dieser Orgel wurde der Organist bezahlt. Bei Prozessionen in der Stadt blieb der Organist in der Kirche, wo er zum Stationsgottesdienst spielte. Besonders bezahlt wurde er, wenn er „in der großen Orgel zu singen“ hatte,[57] nämlich an den Festtagen Aschermittwoch („Faschantag“), Christi Himmelfahrt, Dienstag vor Pfingsten, Pfingsten, Sonnwendtag (24. Juni), St. Peterstag (22. Februar). Dies waren offenbar populäre Gottesdienste. Das Orgelspiel könnte (wie anderswo) auch alternierend mit dem Chor der Priester und Schüler erklungen sein. Dass der Organist gregorianische Gesänge spielte, erschließt sich u. a. aus einer Zahlung von 8 s. an den Organisten Hanns „umb ain Gradual“ (1407), das er wahrscheinlich gekauft hatte.[58]

Die Wiener Stadtrechnungen[59] belegen das festliche Orgelspiel zur Messe auch bei Veranstaltungen des Magistrats (» E. Städtisches Musikleben). Eine Orgel stand wahrscheinlich im Rathaus zur Verfügung; da kein eigentlicher Rats-Organist erwähnt ist, wurden wohl immer Kirchenorganisten herangezogen. In den 1420er Jahren bezahlte der Stadtrat dem Organisten von St. Stephan einen Jahreslohn von 8 tl. und registrierte ihn unter den städtischen Dienstleuten, wie auch den „Orgelmaister“ (damals Jörg Beheim), der 6 tl. erhielt. Dies sollte nicht so bleiben: 1436 wurde vermerkt, fortan solle der Kirchmeister den Organisten „von der kirchen gut ausrichten“ (aus dem Kirchenfond bezahlen); [60] es gab aber weiterhin vereinzelte jährliche Zahlungen von je 60 d. für das „Orgelschlagen zum Te Deum“. Davon abgesehen, lebte der Stephansorganist nun von seinem Gehalt aus dem Kirchmeisteramt (3 tl. für das Spiel auf der „kleinen Orgel“) und seinen vielen festlichen Spielverpflichtungen für Kirche und Stadtrat (» E. Städtisches Musikleben).

[51] Kirchmeisteramtsrechnungen von St. Stephan (im Wiener Stadt- und Landesarchiv), vgl. Uhlirz 1902. Auszüge aus den Raittbüchern von St. Michael bei Schütz 1980.

[52] Schütz 1980, 124. Schütz 1980, 15, setzt irrig den Schulmeister mit einem von zwei Kantoren gleich.

[53] Vgl. Uhlirz 1902, 251 und öfter. Knapp 2004, 268, versteht hierunter eine Marienklage, was vom Ritus her gesehen unwahrscheinlicher ist.

[54] Uhlirz 1902, 364, 384. Das Ostergrab war eine künstlerisch hergestellte Skulptur.

[55] Zu den Standorten der Orgeln vgl. auch Ebenbauer 2005, 40f.

[56] Uhlirz 1902, 337 (1417).

[57] Z. B. 1415: Uhlirz 1902, 299.

[58] Uhlirz 1902, 267 (1407).

[59] Wiener Stadt- und Landesarchiv, 1.1.1. B 1/ Oberkammeramtsrechnung 1. Reihe 1 (1424) usw.: Im Folgenden abgekürzt zu OKAR 1 (1424) usw. (» A-Wsa OKAR 1-55).

[60] A-Wsa OKAR 4 (1436), fol. 25r, und dagegen 60 d. für Te deum OKAR 5 (1438), fol. 62r.