Herolde im deutschsprachigen Raum
Das Wort „Herold“ wird in der Mitte des 14. Jahrhunderts in den deutschsprachigen Raum übernommen. Zuvor hat man dort andere Begriffe verwendet („garzûn”; „kroijierære”, d.h. „Ausrufer“; „knappe von dem wâpen”), um das zu bezeichnen, was in England und Frankreich schon länger „Herold” („herald“, „héraut“) genannt wurde.[1] Mit der Übernahme des Begriffs passt man sich im deutschsprachigen Raum also an weiter verbreitete begriffliche Gepflogenheiten an. Zugleich markiert diese Übernahme eine wichtige Schwelle in der Entwicklung eines spezifischen gesellschaftlich-kulturellen Tätigkeitsbereichs; eine Entwicklung, die von Aufgaben bei der Durchführung von Turnieren im 12. Jahrhundert bis hin zu den Pritschmeistern beim Festschießen (der Vorform der Schützenfeste) ab dem 15. Jahrhundert reicht. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nämlich stehen diejenigen, die nun auch im deutschsprachigen Raum häufiger mit dem Begriff „Herold” bezeichnet werden, mehr und mehr in einem festen Dienstverhältnis eines Herrn.[2] Die Schwelle, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts erreicht wird, ist also die Etablierung und Institutionalisierung eines Amts, des Amts des Herolds.
Herolde sind „als militärische und politische Gesandte, Zeremonienmeister bei Turnierfestlichkeiten und heraldische Experten“[3] Repräsentanten des jeweiligen Herrn. Deshalb erhalten Sie neben einem Heroldsstab („eine Variante des Zepters und ein Symbol der Autorität“)[4] einen Wappenrock, „auf dem die Symbolzeichen ihres Herrn, des durch sie repräsentierten Herrschaftsgebiets oder des jeweiligen Hofordens angebracht waren“.[5] Außerdem werden Sie mit einem Amtsnamen benannt, der sich auf den Herrn bezieht, zu dem sie gehören. Zu Geldern etwa gehört der Herold namens „Gelre“, zu Ungarn der Herold „Ungerland“, zu den österreichischen Herzogen Herolde namens „Tirol“ und „Steierland“ – und so weiter. Zu bedenken ist dabei, dass Herolde ihren Herrn auch wechseln oder mehreren Herren dienen konnten. Außerdem gilt: „[…] Städte führen keine Herolde.“[6] Der oberste Herold des Kaisers wird zunächst „Romreich“ genannt, bevor der Amtsname mit der Regentschaft Kaiser Karls V. (reg. 1530-1558) durch den Namen „Teutschland“ ersetzt wird.[7] Karls oberster Herold Kaspar Sturm konnte sich seit der Königskrönung seines Herrn in Aachen am 23. Oktober 1520 „Reichsherold Teütschlandt“ nennen (» Abb. Herold mit Heroldsstab und Wappenrock bei der sogenannten Helmschau).
Als Repräsentanten ihres Herrn sind Herolde seit dem 14. Jahrhundert, wenn man es in medialer Hinsicht genauer formulieren will, eine Erweiterung des Mundes, der Augen und der Ohren des Herrn und sie können dort für ihn einstehen, wo er gerade (noch) nicht ist beziehungsweise nicht sein kann.[8] Auf diese Weise vergrößern Herolde den körperlichen Wirkungsbereich eines Herrschers, erweitern seine Autorität und seine Aura.
[3] Peters 1976, 233.
[4] Bock 2010, 278.
[5] Scheibelreiter, „Herold“, Sp. 968-970 [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[7] Bock 2010, 277. Dazu auch passim Bock 2015.
[8] Vgl. Von Moos 2006, 158-159, zur Einkleidung des Herolds und zum Namenswechsel: „In der immer komplexer werdenden Entwicklung der Heraldik, deren Grundfigur doch stets die Verortung eines Individuums in einer Gruppe und der Gruppe in der Gesamtgesellschaft darstellt, bedeutet diese ‚Investitur‘ eine symbolische Personifizierung, gewissermaßen die spiegelbildliche Identitätsrepräsentation des Herrn durch seinen Herold.“ Vgl. außerdem Bock 2010: Dort finden sich weitere Überlegungen zum „Verständnis des Herolds als ‚Medium‘“ (S. 265) sowie Hinweise auf entsprechende Forschung.
[2] Bock 2015, 22.
[3 Peters 1976, 233.
[5 Scheibelreiter,ca. 2010, Sp. 968-970.
[8] Vgl. von Moos 2006, 158-159, zur Einkleidung des Herolds und zum Namenswechsel: „In der immer komplexer werdenden Entwicklung der Heraldik, deren Grundfigur doch stets die Verortung eines Individuums in einer Gruppe und der Gruppe in der Gesamtgesellschaft darstellt, bedeutet diese ‚Investitur‘ eine symbolische Personifizierung, gewissermaßen die spiegelbildliche Identitätsrepräsentation des Herrn durch seinen Herold.“ Vgl. außerdem Bock 2010: Dort finden sich weitere Überlegungen zum „Verständnis des Herolds als ‚Medium‘“ (S. 265) sowie Hinweise auf entsprechende Forschung.
[9] Richental 2013, 12, Z. 7-8.
[10] „Item recht herolten von allen künigrichen, die der küng wapen truogend und ir bottschaft wurben und iro herren er und wirdikait uß sprachen […]“ (offizielle Herolde aller Königreiche, die die Wappen der Könige trugen, ihre Botschaften ausrichteten und die Ehre und Würde ihrer Herren verkündeten): Richental 2013, 169, Z. 21-22.
[11] Richental 2013, 47, Z. 24-29.
[12] Schuler 1966, 163. Neuere Forschung bei Morent-Leopold-Steinheuer 2017.
[13] Richental 2013, 206, Z. 20-21. Manfred Schuler weist darauf hin, dass bei der Zahl von 1700 „allerdings die Familienangehörigen und das Hausgesinde mit inbegriffen“ seien (Schuler 1966, 163).
[15] „Die Quellentexte“, so Manfred Schuler in seinem einschlägigen Aufsatz (Schuler 1966), „belegen […] die Posaunisten und Trompeter meist unterschiedslos mit der Bezeichnung Posauner (prusuner), während die Spieler der Holzblasinstrumente allgemein Pfeifer (pfifer; fistulatores) genannt werden. Analog dazu dient das Wort ‚tuba‘ als Sammelbegriff für die Holzblasinstrumente“. (Schuler 1966, 163). Abbildungen, Beschreibungen und Hörbeispeile zu den Instrumenten: » H. Instrumentenmuseum. Zu Tätigkeit und Lebensbedingungen der Instrumentalisten vgl. » E. Musiker in der Stadt.
[17] Schuler 1966, 168. Vgl. auch » E. Die Klang-Aura der Stadt. Kap. Stadt- und Hoftrompeter, Anm. 29. „König Sigismund erteilte auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) Trompeterprivilegien an die Freien Reichsstädte Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Ulm“ (Żak 1979, 149–155).
[18] Zum Autor vgl. Liebhart [https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/sende….
[22] Zur Rolle der Herolde bei Einzügen, Herrschertreffen und Krönungen siehe auch Bock 2015, 280-287.
[24] Zum Holzschnittzyklus siehe Cuneo 1998.
[26] Ab und an wird in der Forschung eine „Heroldstrompete“ erwähnt, z.B. mit Abbildung: Bowles 1977, 78-79. Wenn ich recht sehe, handelt es sich nicht um die Trompete eines Herolds, sondern um eine mit einem Wappentuch versehene Trompete, die dann – wie die anderen Trompeten eben auch – von einem Trompeter gespielt wurde. Zu sehen sind diese Trompeten in » Abb. Trompeter gegenüber Armbrustschützen.
[27] Suchenwirt 1827, „Eralden und gernde leut“. Vgl. auch die hier in » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner), Anm. 15, zitierten Ausgaben.
[29] Achnitz 2008, 497.
[30] Achnitz 2008, 497-498.
[31] Kellermann 2000, 94.
[32] Niemeyer 2001, 39.
[33] Niemeyer 2001, 51.
[34] Zu Gesang und Liedvortrag bei Beheim vgl. Spriewald 1990. Außerdem: Wachinger 1979, 37-75.
[35] Scheibelreiter, „Herold“, Sp. 968-970 [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[36] Ich danke Reinhard Strohm für den Hinweis auf diesen Holzschnitt.
[37] Graf, Klaus. „Parzival als Nebenform für Persevant“ (https://archivalia.hypotheses.org/1668).
[38] Beispiele vor allem bei Pietzsch 1966 und Pietzsch, Musik in Reichsstadt (1966/1967), 73-99.
[39] Kellermann, Karina, und Albert Gier: „Heroldsdichtung“, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 4, Sp. 2173-2174.
[41] Bock 2015, 321.
[42] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Michel Beheim.
[43] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Reimreden und Spruchtöne in Österreich im 14. und 15. Jahrhundert.
[44] Stichworte zu den Veränderungen bei Scheibelreiter: „Herold“, Sp. 968-970. [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[45] Bebermeyer, Gustav. Art. „Pritschmeister“, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 3 (1977): 257-262, 257b.
Empfohlene Zitierweise: Ott, Michael R., „Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530), in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich, <Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530) | Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich> (2024).