Widersprüchliche Forschungsmeinungen zum „Mönch“
Nähere Angaben über die Person des Mönchs lassen sich nicht machen. Die Liedüberschriften widersprechen sich. Sein Name wird mit „Herman“, einem Benediktiner[23], oder mit „Johanns“ beziehungsweise „Hanns“, einem Dominikaner[24], angegeben. An Identifikationen wurden vorgeschlagen: Abt Johannes II. Rossezz von St. Peter, der jedoch schon 1375 starb, Hermann, Prior von St. Peter (1424 urkundlich erwähnt), oder der Leutpriester Martin selbst. Andere nehmen eher ein Autorenkollektiv als eine Einzelperson für die Abfassung des Gesamtkorpus an.[25] Der große stilistische Unterschied zwischen den Gruppen der freien Gesänge und den Übertragungen innerhalb der geistlichen Lieder hat immer wieder zu der Vermutung Anlass gegeben, dass der überlieferte Gesamtkorpus nicht von einem einzigen Autor stammen könne. Umso mehr gilt dies für die unterschiedlichen Stile der geistlichen und weltlichen Lieder. Hartnäckig hält sich die Vermutung, dass sich hinter dem Pseudonym „Mönch“ Erzbischof Pilgrim selbst verbirgt, obwohl dies mittlerweile als sehr unwahrscheinlich erscheint. Die Unsicherheit der Forschung sei an einigen Zitaten gezeigt:
„Er war jedenfalls Benediktinermönch. Denn sein Cisionianus hatte ohne Zweifel einen benediktinisch-monastischen Kalender zur Vorlage.“[26]
„Mir will die Identität von Pilgrim und Mönch eher unwahrscheinlich vorkommen.“[27]
Zum Lied W 7 (der im Kap. Pilgrim II. von Puchheim erwähnte Brief aus Prag): „Vor allem zwei Gründe machen es wahrscheinlich, dass der Mönch von Salzburg, der zu den bedeutendsten deutschen Lieddichtern des Spätmittelalters zählt, mit Pilgrim II. von Puchheim identisch war: Erstens hielt sich Pilgrim 1391 in Prag auf, und zweitens verabschiedet sich der Mönch von Salzburg am Ende des Liedes mit dem Namen des Erzbischofs: „dein antwurt schreib mir, liebstez E, mir pilgreim her gen Senenstat“ – wobei er mit der Zweideutigkeit des Namens spielt und das Bild eines Pilgers evoziert, der von der Stätte der Sehnsucht zur Stätte der Freude pilgern will.“[28]
Ebenfalls zum Lied W 7: „Darüber gehört der Text aber wohl auch zu dem bewussten Verwirrspiel um die Identität des Mönchs von Salzburg und die Rolle Pilgrims, denn hier wird ja nur angedeutet, dass das Lied entstand, als Pilgrim dort bei Hof war, offen lassend, welche Rolle genau der Erzbischof bei der Abfassung spielte.“[29]
Franz Spechtler[30] weist hingegen darauf hin, dass alle Handschriften von nur einem Verfasser sprechen, dem „Mönch“ (abgesehen von Martin in A). Der Mönch hat die Lieder „gemacht“, nach A auch die weltlichen. Erzbischof Pilgrim hat die Kompositionen angeregt und unterstützt. Er ist nicht identisch mit dem Mönch. Auch das Akrostichon von G 3 spricht eher gegen eine Autorschaft von Pilgrim.
Damit versiegen aber die biographischen Hinweise. Weitere Informationen sind nicht zu gewinnen. Wer sich wirklich hinter dem Pseudonym „Mönch“ verbirgt, bleibt für uns ein Geheimnis. Hinter „Mönch“ als Begriff steht eine Person, die jedermann bekannt gewesen sein musste. Er hielt sich im Umfeld eines Kreises von Personen auf, die nicht Mönche waren, so dass er diesen Namen als besonderes Kennzeichen erhielt, das ihn von seiner Umgebung unterschied; entweder, weil er wirklich ein Ordensmann war, oder, weil er sich wie ein Mönch verhielt. Dazu kommt, dass alle Handschriften mindestens eine Generation später entstanden sind. D als älteste der Korpushandschriften mit Noten enthält keine biographischen Angaben, vielleicht weil man in Salzburg um die Mitte des 15. Jahrhunderts noch wusste, wer der Mönch war. Die übrigen Verfasser der Sammelhandschriften jedoch kannten den Mönch nicht aus eigener Anschauung und wussten wohl auch meist nicht mehr, wer er gewesen war.
[23] D-Mbs Cgm 715.
[24] Unter „Predigerorden“ werden die Dominikaner verstanden.
[25] März denkt für die weltlichen Lieder an zumindest zwei Personen. März 1999, 7f.
[26] Heger 1968, 27. Dies trifft nicht zu. Ein Vergleich des Cisiojanus G 45 mit dem Kalender im Breviarium Salisburgense (Nürnberg: Stuchs 1497) zeigt, dass alle Heiligen auch dort aufgelistet sind, mit folgenden Ausnahmen: „Magdalen becheret“, d. i. Maria von Ägypten 1.4., Bernhard 20.8., Felix von Zürich 11.9., und das Gedenken an Ester im Advent.
[27] März 1999, 4. In keiner Quelle wird Pilgrim als Verfasser von Gedichten oder Liedern genannt.
[28] Pokorny 2012, 105.
[29] Klein 2012, 59.
[30] Spechtler 1972, 13.
[1] Editionen: Spechtler 1972 bietet eine vollständige Textausgabe der geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg und führt die Zählung für die geistlichen Lieder des Mönchs ein: G + Nummer des Liedes; März 1999 ediert Texte und Melodien mit Kommentaren der weltlichen Lieder und führt dafür die Zählung W + Nummer ein; Waechter 2004 bringt alle Melodien des Mönchs mit Kommentar.
[2] Vgl. Spechtler 1972, 92.
[3] G 22. Die Zuschreibung ist nicht gesichert: vgl. » B. Geistliches Lied, Anm. 51.
[4] Vgl. Spechtler 1972, 69; Wachinger 1987, 662.
[5] Vgl. Zimmermann 1995, 314–316.
[6] Vgl. Wachinger 1987, 659.
[7] Beschreibung aller Handschriften bei Spechtler 1972, 34–99, und Waechter 2005, 203. In Klammer stehen im Folgenden die in der germanistischen Fachliteratur gebräuchlichen Siglen.
[8] Faksimileausgabe von Heger 1968.
[9] Bei diesem Lied bricht die Notierung nach eineinhalb Zeilen ab. Das Lied ist hingegen vollständig erhalten in der Kolmarer Liederhandschrift (D-Mbs Cgm 4997): vgl. Lütolf 2003-2010, Nr. 151. (Hinweis von Andrea Horz.)
[10] Man kann dieses Stück auch als Leich bezeichnen. Die formale Anlage aa, bb, cc, … ist die gleiche.
[11] Vgl. Spechtler 1972, 125-128; Waechter 2004, 35-39 und 211-214.
[12] Vgl. Wachinger 1989, 77–79.
[13] Vgl. Wachinger 1987, 660.
[14] Heger 1968, 29.
[15] Ein Leutpriester (Plebanus) war für die Seelsorge der Laien zuständig und hatte pfarrliche Rechte. Daher wird der Ausdruck oft synonym für „Pfarrer“ gebraucht.
[16] Zur Bedeutung Pilgrims für die Entwicklung der Musik in Salzburg siehe: Welker 2005, 76–87.
[17] Das Lied wird aufgrund seiner Überschrift mit Schloss Freisaal in Salzburg in Zusammenhang gebracht. Die Personenangabe könnte aber auch eine dichterische Fiktion sein. Vgl. hierzu Engels 2012.
[18] Dass dabei auch mehrstimmige Musik erklang, wurde oft vermutet, lässt sich aber nicht nachweisen.
[20] Vgl. Spechtler 1972, 15–16.
[21] Vgl. Spechtler 1972, 16–17.
[22] G 5 und G 9. Zu den Personen siehe Spechtler 1972, 17–18.
[23] D-Mbs Cgm 715.
[24] Unter „Predigerorden“ werden die Dominikaner verstanden.
[26] Heger 1968, 27. Dies trifft nicht zu. Ein Vergleich des Cisiojanus G 45 mit dem Kalender im Breviarium Salisburgense (Nürnberg: Stuchs 1497) zeigt, dass alle Heiligen auch dort aufgelistet sind, mit folgenden Ausnahmen: „Magdalen becheret“, d. i. Maria von Ägypten 1.4., Bernhard 20.8., Felix von Zürich 11.9., und das Gedenken an Ester im Advent.
[28] Pokorny 2012, 105.
[29] Klein 2012, 59.
[30] Spechtler 1972, 13.
[31] Vgl. Wachinger 1989, 159.
[32] Zu den einzelnen Gattungen siehe Waechter 2005, 53–58; zu den Tönen des Mönchs Wachinger 1989, 159–197.
[33] Vgl. Waechter 2004, 75, 239; Waechter 2005, 6–8, 211, 263–264. Vgl. Kap. Ton und Kontrafaktur: der Barantton.
[34] Spechtler 1972, 167. Unter „par“ (= Bar) versteht der Schreiber hier eine ganze Strophe.
[35] Vgl. Spechtler 1972, 6, Anm. 9.
[36] Eine ausdrückliche Zuweisung an den Mönch ist in den Handschriften nicht vorhanden. Der Autorenname in D ist nachgetragen. Aufgrund der unterschiedlichen Textüberlieferung zweifelt Wachinger die Autorenschaft des Mönchs an (Wachinger 1989, 36).