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Inhalt des Antiphonarius

David Merlin

Winterburgers Antiphonarius enthält hauptsächlich die Gesänge für erste Vesper (Abendgebet), Laudes (Morgengebet) und/oder zweite Vesper für das Temporale und das Sanktorale des ganzen Kirchenjahres. Dazu kommt die Matutin (Nachtgebet) für wichtige Heiligen-, Herren- und Marienfeste. Nur für die Formulare weniger Feste sind auch die kleinen Horen[30] vorhanden. Im Antiphonarius besteht die Matutin meistens nur aus einer ihrer Unterteilungen, und zwar aus der ersten Nokturn; für die wichtigsten Feste besteht die Matutin aus drei Nokturnen. Die erste Nokturn beginnt wie üblich mit einer Invitatoriumsantiphon (Antiphon zum Invitatoriumspsalm: Psalm 94/95 Venite exultemus).

Die inhaltliche Einteilung des Antiphonarius ist in der » Abb. Inhaltliche Gliederung dargestellt. Außerdem enthält der Antiphonarius „zwei Hymnen […], jeweils sechs Gradual- und Alleluia-Verse zu den feierlichen Vespern der Osterwoche, ein Kyrie eleison zur gleichen Gelegenheit, eine Litanei zur Gründonnerstagsliturgie, ein Osterspiel und melogene Tropen (Prosulae zu Responsorien des Weihnachtsfestes)“.[31] Ferner ist auf fol. 56r das Incipit von „Christ ist erstanden“ notiert.

Wie üblich für ein Antiphonar, das ein Musikbuch ist, sind keine Gebete und keine Lesungen enthalten. Zudem entbehrt der Antiphonarius des Totenoffiziums. Außer einigen Festformularen, die „zu den jüngsten Schöpfungen für das poetische Stundengebet gehören“,[32] wie das Offizium zum Fest der hl. Lanze und der Nägel des Herrn (fol. 69r) und jenes zum „durch das Direktorium von 1518 in den Gebrauch der Diözese [Passau]“[33] eingeführten Fest von Maria Schnee (fol. 187v), enthält der Antiphonarius zwei Offizien zu den Festen für den hl. Leopold III. Babenberg: Diese sind der dies natalis (der Todestag) am 15. November (Ecclesia sancta, fol. 227v) und die in Anwesenheit Maximilians I. im Jahr 1506 stattgefundene Translation[34] am 15. Februar (Austria laetare, fol. 107v). Vgl. » F. Musik und Verehrung von (Lokal-)Heiligen, Kap. Die Translation des Hl. Leopold. [35]

 

 

[30] Die Gebetszeiten Prim (ca. 7 Uhr), Terz (ca. 9 Uhr), Sext (ca. Mittag), Non (ca. 15 Uhr) und Completorium (vor der Nachtruhe).

[31] Schlager 1985, S. 5; vgl. den Eintrag in der online-Datenbank VDM (Katalognummer: vdm 4).

[32] Schlager 1985, S. 6.

[33] Karnowka 1983, S. 22.

[34] Räumliche Übertragung der Gebeine.

[35] Über die Offizien für den hl. Leopold siehe auch Merlin 2011 und Merlin 2012a.