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Der Buchdrucker Johannes Winterburger

David Merlin

Dem eigentlichen Porträt des Werkes möge hier eine kurze Vorstellung seines Schöpfers vorangehen, um den Antiphonarius besser im geographisch-historischen Kontext zu positionieren.

Johannes Winterburger[8] ist zwar nicht der erste bekannte Buchdrucker in der Region Österreich,[9] er ist aber zweifellos der erste Druckmeister, der in Wien musikalische Notation druckte.[10] Seine Tätigkeit in Wien ist ab dem Jahr 1492 nachweisbar und schließt mit der Realisierung des hier zu porträtierenden Antiphonarius Ende August 1519, der sein letztes bekanntes Druckwerk ist. Winterburger wurde ca. 1460–1465 in Winterburg (Landkreis Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz) geboren. Sein Sterbedatum ist nicht bekannt, wahrscheinlich starb er vor dem Jahresende 1519. Winterburger „gehörte mit seiner Frau der Bruderschaft vom Gottesleichnam als Mitglied an“,[11] damals eine wichtige Drehscheibe für die soziale Vernetzung in Wien, „der u. a. einige bedeutende Gelehrte angehörten – z.B. Johannes Cuspinianus-Spießheimer. – So kam er mit ihnen in persönliche Berührung.“[12]

Winterburger druckte nicht nur Grammatiken, Rechenbücher „und das, was man als Jahrmarktsware bezeichnen könnte: Gelegenheitsschriften […], Pestblätter, Syphilisblätter, Aderlaßblätter […]“[13] usw., sondern auch Texte antiker Autoren (wie z.B. Apuleius, Aristoteles, Horaz, Plautus, Tacitus), Werke von Humanisten (Conrad Celtis, Johannes Panecianus, Johannes Stabius, Georg von Peuerbach und Johann Müller/Regiomontanus) und etliche Verwaltungsschreiben: „Seit mindestens 1506 druckte er für die Regierung der innerösterreichischen Lande die Landtagseinberufungen, Edikte, Achterklärungen und Steuerzettel. […] so daß man Winterburger unbedenklich den ersten österreichischen Reichsdrucker nennen darf.“[14] Darüber hinaus druckte Winterburger Liturgica für die Bistümer Gran (Esztergom), Olmütz (Olomouc), Passau und Salzburg sowie einige Liturgica ohne Vermerk der geographisch-liturgischen Bestimmung.[15]

Unter den heute erhaltenen Liturgica Winterburgers (» Abb. Winterburgers Liturgica) sind sechzehn Ausgaben mit Notation vorhanden. Notendruck ist innerhalb Winterburgers œuvre außerdem in zwei Musiktraktaten zu finden. Ferner veröffentlichte er auch außergewöhnliche Druckwerke, z.B. eine Gedenkschrift mit über zweihundertsechzig Holzschnitten: das Heyligtumb[16] (1502 und 1514): vgl. F. Kap. Das Wiener Heiligtum.

 

 

[8] Über Winterburger: Mayer 1883, S. 21–30; Mayer 1887, S. 392–394; Franck 1898Dolch 1913, S. 14–32; Lang 1972, S. 47–48; Benzing 1982, S. 485; Rausch 2006Lodes 2007Reske 2015, S. 1047–1048. Winterburgers Bibliographie: Dolch 1913, S. 33–142  (Ergänzungen in Borsa 1956 und Borsa 1962).

[9] Vgl. Dolch 1913, S. 1–13.

[10] Dies wird bei der Konsultation der interaktiven Landkarten auf der Webseite des an der Universität Salzburg angesiedelten Projektes VDM Verzeichnis deutscher Musikfrühdrucke besonders offensichtlich: <http://www.vdm.sbg.ac.at/db/music_prints.php?content=mapping&menu=2>. Die Tätigkeit des Buchdruckers Petri in Passau (ca. 1489–ca. 1492) wird in den Landkarten erst mit zukünftigen Aktualisierungen sichtbar sein (voraussichtlich Herbst 2019; ich bedanke mich bei Andrea Lindmayr-Brandl für diese Information, E-Mail vom 04.12.2018).

[11] Dolch 1913, S. 14.

[12] Dolch 1913, S. 16.

[13] Dolch 1913, S. 18.

[14] Dolch 1913, S. 17–18.

[15] Für drei Beispiele von Liturgica Winterburgers ohne Vermerk der geographisch-liturgischen Bestimmung siehe Merlin 2012c, S. 268.

[16] In Ritter 1882 nachgedruckt.

[17] Katalognummer in Dolch 1913.

[18] Katalognummer der online-Datenbank VDM Verzeichnis deutscher Musikfrühdrucke (<http://www.vdm16.sbg.ac.at/db/music_prints.php>).