Sie sind hier

Beschreibung des Antiphonarius

David Merlin

Das Buch beginnt auf  fol. 1r wie folgt: Incipit Antiph(onarius) utriusq(ue) part(is) s(ecundu)m (com)mune(m) (con)suetudine(m) dioc(esis). Diese Anfangsrubrik bedeutet: „[Hier] beginnt das Antiphonar für beide Teile [des Kirchenjahres, d.h. Temporale[19] und Sanktorale[20]] dem gewöhnlichen Gebrauch der Diözese entsprechend“. Es fehlt das Adjektiv, das präzisieren sollte, für welche Diözese dieses Antiphonar gedruckt wurde.

Winterburgers Antiphonarius ist ein Band im Folio-Format (355 x 245 mm) und umfasst 276 Blätter, die am Oberrand der Rectoseite rechts unmittelbar über den Text mit arabischen Ziffern nummeriert und in Quaternionen gruppiert sind. Der Gesangstext sowie die Incipits der Gesänge in den Rubriken (diese ohne Notation), die zwei oder drei Notensysteme umfassenden Initialen, die Musiknotation und die Textincipits im Verzeichnis sind mit schwarzer Farbe gestaltet; Foliierung, Justierungslinien, Kolophon (Impressum) samt Druckerzeichen, Kolumnentitel, vierliniges Notensystem, Rubriken sowie Titelseite sind hingegen mit roter Farbe gedruckt. Bei den ein Notensystem umfassenden Initialen alternieren rote und schwarze Farbe. Wie bei liturgischen Quellen üblich, hängt die Auswahl der Tintenfarbe und die Präsenz von verzierten Initialen ausschließlich von der liturgischen Gattung bzw. von der Position des Gesangs im liturgischen Zusammenhang ab.

Neben Titelseite und Druckerzeichen zählen zum Buchschmuck die Initialen, die je nach Größe und Art der Ornamentik unterschiedlichen Reihen zuzuordnen sind. Drei Initialen stechen wegen ihrer Dimensionen heraus. Es handelt sich um ein „A“ auf fol. 1r, ein „V“ auf fol. 120r sowie ein „N“ auf fol. 245r (vgl. Abb. Antiphonarius Winterburger, fol. 1r, Abb. Antiphonarius Winterburger, fol. 119v-120r).[21]

Die Textschrift ist die sogenannte gotica textualis in drei Größen: Gesangstext, Rubriken, Inhaltsverzeichnis. In den Rubriken werden des öfteren auch die Lettern des Gesangstextes verwendet. Die Lettern der Liturgica Winterburgers erinnern an die für liturgische Bücher aus Italien typische gotica rotunda (auch gotica liturgica genannt), die bereits der Augsburger Buchdrucker Erhald Ratdolt in seinen Liturgica nachgeahmt hatte.

Die Musiknotation ist die deutsche gotische Choralnotation mit Akzidentien, Custoden, C-, F- und G-Schlüsseln sowie einfachen Strichen, die das vierlinige Notensystem durchqueren und Binnenglieder bzw. den Schluss der Gesänge signalisieren.

Zwei Exemplare des Antiphonarius sind heute erhalten (in München bzw. Wien);[22] Makulaturen davon sind außerdem im Diözesanarchiv zu Graz gefunden worden.[23] Auf dem originalen Ledereinband des Münchner Exemplars wurde in Kapitalschrift (mit Großbuchstaben) die Betitelung „Antivonarius“ (sic) mittels Stempeln bzw. Lettern geprägt. Diese Beschriftung kann wohl auch lange Zeit nach der Anfertigung des Ledereinbandes realisiert worden sein. Auf dem Ledereinband des Wiener Exemplars wurde hingegen die Abkürzung „Antiph“ geprägt, auch in Kapitalschrift, aber deutlich größer geschrieben. Die sechs Buchstaben füllen perfekt ein offensichtlich für sie vorgesehenes Rechteck in der Blindprägung aus und gehören daher zum Originalzustand des Einbands. Dies dürfte darauf hinweisen, dass der Antiphonarius, genauso wie nach Walther Dolch andere liturgische Ausgaben Winterburgers, mit einem editorialen Einband zum Verkauf angeboten wurde.[24]

 

[19] Zyklus der Herrenfeste, mit mobilem Datum (abgesehen von Weihnachten), das von Ostern abhängt.

[20] Zyklus der Marien- und Heiligenfeste, mit fixem Datum.

[21] Vgl. Dolch 1913, S. 25. Information über Winterburgers Buchschmuck kann den Arbeiten von Hedwig Gollob und Maria Magdalena Zykan entnommen werden (nicht alle diese Texte entsprechen dem heutigen wissenschaftlichen Standard).

[22] D-Mbs, 2º Liturg.11e und A-Wn, Mus MS 4280-2° (unvollständig).

[23] Robert Klugseder, dem ich für diese Information zu Dank verpflichtet bin, fand diese Fragmente im Februar 2015. Bezüglich derer schrieb er: „Sie dienen als Fragmenteinband für ein Trauungsbuch der Pfarrei Haus im Ennstal (bei Schladming, heute im Diözesanarchiv Graz).“ (E-Mail vom 25.02.2015)

[24] Dolch 1913, S. 31–32.