Im Takt der Pauker und Trompeter
Neben der großen Anzahl bewaffneter Teilnehmer könnte auch die Präsenz der Pauker und Trompeter bei der Wiener Fronleichnamsprozession als Indiz für deren betont militärischen Charakter gedeutet werden. Die erste gesicherte Nachricht über ihre Beteiligung am Fronleichnamsfest stammt aus dem Jahr 1516. Sie bezieht sich auf die Kosten einer Mahlzeit, die den Musikern gespendet wurde. Ein Jahr später kamen Ausgaben für ein Frühstück hinzu. 1518 wird erstmals die Entlohnung eines Trompeters und eines Paukers erwähnt: der erste erhielt 40 Pfennig, der zweite 24 Pfennig (insgesamt 2 Schilling und 4 Pfennig). Ein Jahr später wurden bereits zwei Trompeter und ein Pauker mit 5 Schilling und 2 Pfennig bezahlt. Diese Ausgaben stiegen bis 1525 leicht, ein Jahr später melden die Rechnungsbücher jedoch nur die Beteiligung eines Paukers, der auch 1527 mit 2 Schilling entlohnt wurde. Von 1528 bis 1534, als die letzten Fronleichnamsspiele stattfanden, wurde die Mitwirkung der Musiker nicht mehr festgehalten. Was ihre Entlohnung betrifft, war diese offenbar etwas niedriger als jene eines Malers: So empfing Meister Hanns 1511 für die Ausmalung eines Judenhutes und -mantels den Betrag von 4 Schilling, während ein Trompeter 1525 mit 3 Schilling honoriert wurde.[19]
Die Rechnungsbücher der Wiener Fronleichnamsbruderschaft, die zwischen 1505 und 1512 einer ihrer Initiatoren, der Tiroler Kaufmann Matthäus Heuperger, führte, stellen im europäischen Kontext ein außergewöhnlich umfangreiches und detailliertes Archivmaterial dar. Die 1504 von Wilhelm Rollinger und Heuperger getätigten Schenkungen führten zu einer religiösen Mobilisierung der Wiener Einwohnerschaft, die insbesondere das wohlhabende Handwerkermilieu einschloss. Die in den Quellen festgehaltenen Gaben, überwiegend Rüstungsteile und Textilien, ermöglichen heute, kleine Fragmente der Fronleichnamsprozession visuell wiederzubeleben. So sah das Publikum auf dem Neuen Markt, dem Sitz der Fernkaufleute, während der Ecce-homo-Szene den gemarterten Christus in einem kostbaren purpurroten Seidenmantel, während der Hohe Priester Annas rote Stiefel zu einem gelben Gewand mit Kapuze trug.[20] Die Kleidung von Herodes war stellenweise mit türkischen Mustern versehen, so dass der Gegner in einer Person gleichzeitig jüdisch und muslimisch vor dem Publikum erschien.[21] Hier ist ein Regietheater von höchster religiöser und politischer Brisanz zu entdecken, das in einer rituellen Gemeinschaft Einheit und Entschlossenheit beschwören sollte.
[19] Vgl. Neumann 1987, 734, 738, 742, 745, 758, 760, 724, 711, 731, Exzerpte 3031, 3056, 3086, 3111, 3233, 3251, 2971, 2866, 3017-3018.
[20] Vgl. Neumann 1987, 711, Exzerpt 2866; 731, Exzerpt 3018.
[21] Vgl. Neumann 1987, 731, Exzerpt 3017.
[1] Vgl. Hadamowsky 1981, 10; Hadamowsky 1988, 49; Neumann 1987, 703, Exzerpt 2813.
[2] Vgl. Hadamowsky 1981, 9. 1519 organisierte die Einrichtung die Begräbnisfeierlichkeiten für Maximilian I. und 1526 für den ungarischen König Ludwig II.; beide waren Mitglieder der Fronleichnamsbruderschaft. (Hadamowsky 1981, 11).
[3] Vgl. Hadamowsky 1981, 9-10.
[4] Vgl. Camesina 1869, 343; Capra 1945/46, 122; Hadamowsky 1981, 10; Rupprich 1994, 253ff.
[5] Vgl. die Beschreibung der Prozession nach zeitgenössischer Quelle: » E. SL Fronleichnamsprozession.
[6] Vgl. Neumann 1987, 707-709, Exzerpt 2844.
[7] Vgl. Czeike 1980, 10, Anm. 35-39.
[8] Vgl. Czeike 1980, 12.
[9] Vgl. Neumann 1987, 709-710, 714-715, 722, 749, Exzerpte 2851, 2852, 2896, 2899, 2901, 2955, 3150.
[10] Vgl. Neumann 1987, 730, Exzerpt 3013.
[11] Vgl. Neumann 1987, 704, 710, Exzerpte 2818, 2853.
[12] Vgl. Neumann 1987, 732, Exzerpt 3023.
[13] Vgl. Rupprich 1994, 253.
[14] Vgl. Neumann 1987, 704, Exzerpte 2818-2819.
[15] Vgl. Neumann 1987, 709-710, Exzerpte 2850-2852.
[16] Vgl. Neumann 1987, 734, Exzerpt 3026.
[17] Vgl. Neumann 1987, 337-338, Exzerpt 1564.
[18] Vgl. Reupke 1930, 61.
[19] Vgl. Neumann 1987, 734, 738, 742, 745, 758, 760, 724, 711, 731, Exzerpte 3031, 3056, 3086, 3111, 3233, 3251, 2971, 2866, 3017-3018.
[20] Vgl. Neumann 1987, 711, Exzerpt 2866; 731, Exzerpt 3018.
[21] Vgl. Neumann 1987, 731, Exzerpt 3017.
Empfohlene Zitierweise:
Aneta Bialecka: „Die Wiener Gotsleichbruderschaft“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/die-wiener-gotsleichbruderschaft> (2016).