Gabe als Frömmigkeitsakt und gesellschaftliche Inszenierung
Schenkungen bildeten in der neu gegründeten Wiener Fronleichnamsbruderschaft einen zentralen Aspekt der Frömmigkeitspraxis. Insbesondere die kleinen Sachspenden der Handwerkerfamilien, die kaum an repräsentative Zwecke gebunden waren, verdeutlichen diese Praktik. Der Tischlermeister Wolfgang Pacher spendete 1506 u. a. Handschuhe und ein Stück Barchent, Hanns Amstein, ein Tändler, einen weißen Federbusch. Michel Lachkircher, ein Wagner und Mitglied der Bruderschaft, transportierte 1507 Holz für die auf dem Neuen Markt errichtete Bühne und kaufte damit seine Frau in die Bruderschaft ein. Im selben Jahr färbten Colman Kaltprunner und seine Frau unentgeltlich ein Stück Leinwand für das Spiel. Jörg Peer, ein Drechsler, spendete Knöpfe für die Richterstühle. 1511 schenkte Matthäus Heuperger im Namen seines Dieners Mathes Kappauner eine Reihe von Hüten. 1521 spendeten der Briefmaler Albrecht Meindl und seine Frau Eva eine schwarze Perücke und einen Bart für die Darsteller des Herodes oder Pilatus und kauften sich damit in die Bruderschaft ein.[9]
Bei den gespendeten Objekten handelte es sich dabei nicht um bloße Spielrequisiten, sondern um sakrales Inventar, worauf eine Anweisung des Verwalters Wilhelm Rollinger aus dem Jahr 1513 hinsichtlich der Perücke Maria Magdalenas hindeutet. Diese durfte keinesfalls zweckentfremdet werden, andernfalls hätte sie verbrannt werden müssen.[10]
Der besondere, religiöse Charakter der Gegenstände prädestinierte sie unweigerlich für eine repräsentative Nutzung. So überreichte Rollinger der Bruderschaft im Namen seiner Frau Katharina 1504 einen Mantel für die Figur der Maria. Er selbst spendete u. a. ein Seil für die Geißelungsszene, die auf einer der Bühnen auf dem Neuen Markt am Dreifaltigkeitssonntag vorgeführt wurde. 1506 übergab Meister Jörg Riemer für die Kreuzigungsszene, die auf dem Stephansfriedhof stattfand, einige Ledergürtel, mit denen Christus und die beiden Schächer an Kreuzen befestigt wurden.[11]
[9] Vgl. Neumann 1987, 709-710, 714-715, 722, 749, Exzerpte 2851, 2852, 2896, 2899, 2901, 2955, 3150.
[10] Vgl. Neumann 1987, 730, Exzerpt 3013.
[11] Vgl. Neumann 1987, 704, 710, Exzerpte 2818, 2853.
[1] Vgl. Hadamowsky 1981, 10; Hadamowsky 1988, 49; Neumann 1987, 703, Exzerpt 2813.
[2] Vgl. Hadamowsky 1981, 9. 1519 organisierte die Einrichtung die Begräbnisfeierlichkeiten für Maximilian I. und 1526 für den ungarischen König Ludwig II.; beide waren Mitglieder der Fronleichnamsbruderschaft. (Hadamowsky 1981, 11).
[3] Vgl. Hadamowsky 1981, 9-10.
[4] Vgl. Camesina 1869, 343; Capra 1945/46, 122; Hadamowsky 1981, 10; Rupprich 1994, 253ff.
[5] Vgl. die Beschreibung der Prozession nach zeitgenössischer Quelle: » E. SL Fronleichnamsprozession.
[6] Vgl. Neumann 1987, 707-709, Exzerpt 2844.
[7] Vgl. Czeike 1980, 10, Anm. 35-39.
[8] Vgl. Czeike 1980, 12.
[9] Vgl. Neumann 1987, 709-710, 714-715, 722, 749, Exzerpte 2851, 2852, 2896, 2899, 2901, 2955, 3150.
[10] Vgl. Neumann 1987, 730, Exzerpt 3013.
[11] Vgl. Neumann 1987, 704, 710, Exzerpte 2818, 2853.
[12] Vgl. Neumann 1987, 732, Exzerpt 3023.
[13] Vgl. Rupprich 1994, 253.
[14] Vgl. Neumann 1987, 704, Exzerpte 2818-2819.
[15] Vgl. Neumann 1987, 709-710, Exzerpte 2850-2852.
[16] Vgl. Neumann 1987, 734, Exzerpt 3026.
[17] Vgl. Neumann 1987, 337-338, Exzerpt 1564.
[18] Vgl. Reupke 1930, 61.
[19] Vgl. Neumann 1987, 734, 738, 742, 745, 758, 760, 724, 711, 731, Exzerpte 3031, 3056, 3086, 3111, 3233, 3251, 2971, 2866, 3017-3018.
[20] Vgl. Neumann 1987, 711, Exzerpt 2866; 731, Exzerpt 3018.
[21] Vgl. Neumann 1987, 731, Exzerpt 3017.
Empfohlene Zitierweise:
Aneta Bialecka: „Die Wiener Gotsleichbruderschaft“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/die-wiener-gotsleichbruderschaft> (2016).