Beispiel 1: Konstanzer Konzil
Beim Konstanzer Konzil (1414-1418) zum Beispiel bringen die Herolde die Wappen ihrer Herren an den Häusern an,[9] verbreiten die Botschaften ihrer Herren und verkünden deren Würde und Ansehen, wie es in der Chronik des Ulrich Richental heißt.[10] Damit sind die Herolde für etwas zuständig, was im Fall des Falles auch ihr Herr selbst tun kann. Richental schildert nämlich, dass König Sigismund im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Friedrich IV. von Tirol (der dem Gegenpapst zur Flucht verholfen hatte) eines Morgens persönlich in der Stadt ausruft, dass niemand die Stadt verlassen dürfe, während man herauszufinden versucht, warum viele Menschen heimlich die Stadt verlassen: „Und frü mornends, als der tag uff kam an Sant Benedicten tag, do nam unßer herr der küng hertzog Ludwigen von Haidelberg zuo im [zu sich] und rait durch die statt ze Costentz mit sinen prusunern [Posaunern] tzuo allen wechßlern, sy waren Ytalici oder ander, und zuo allen appenteger [Apothekern], kromer [Krämern/Kaufleuten], handtwerchs lüten und zuo allen cardinäln und allen herren, und hieß stäteklichen [beständig/immer wieder] uff prusunen, und ruoft mit sin selbes munde, das nieman hinweg fuor, biß man innen wurd, waz der sach wär [was geschehen ist/was es mit dieser Sache auf sich habe].“[11]
Das Konstanzer Konzil war auch in musikalischer Hinsicht ein Großereignis.[12] Im Zusammenhang mit den Herolden sind vor allem die Pfeifer und Posauner von Interesse, die regelmäßig gemeinsam mit den Herolden erwähnt werden. Am Ende der Konzilschronik Ulrich Richentals heißt es zusammenfassend: „Recht herolten der kung xxiiij mit ir knechten. Prusuner, pfifer, fidler; und allerlay spillüt, xvij hundert.“ Es waren also angeblich 24 königliche Herolde (einschließlich ihrer Diener) und 1700 Spielleute (einschließlich ihrer Familien und Diener) anwesend.[13] Diese Nähe von Spielern von Signalinstrumenten mit den Herolden ist durchaus verständlich, sorgen diese Instrumente doch bei Verlautbarungen für Aufmerksamkeit, die der Stimme – dem Rufen –[14] der Herolde vor- und zuarbeitet. Pauker, Pfeifer und Trompeter bilden regelmäßig die Geräuschkulisse, wenn ein Herold öffentlich für seinen Herrn ruft.[15] Zugleich wird aber bereits anhand des Eintrags in Richentals Chronik deutlich, dass es eine Trennung gibt zwischen den Aufgaben der Herolde auf der einen und der Spieler von Signalinstrumenten auf der anderen Seite. » Abb. Umritt König Sigismunds mit der Goldenen Rose (1415).
.Herolde sind in musikalischer Hinsicht nur periphere Akteure. Anteil am städtischen Klangraum haben sie jedoch – abgesehen von der stimmlichen Funktion des Rufens –, weil sie gemeinsam mit Signalinstrumenten, bzw. „hauts-instruments“ (lauten Instrumenten),[16] in Erscheinung treten können. Welche Bedeutung diesen Instrumenten Anfang des 15. Jahrhunderts zukommt, kann man auch daran erkennen, dass König Sigismund der Stadt Konstanz am 20. Oktober 1417 auf die Bitte des Rats hin das Recht verleiht, Trompeter zu halten.[17]
[9] Richental 2013, 12, Z. 7-8.
[10] „Item recht herolten von allen künigrichen, die der küng wapen truogend und ir bottschaft wurben und iro herren er und wirdikait uß sprachen […]“ (offizielle Herolde aller Königreiche, die die Wappen der Könige trugen, ihre Botschaften ausrichteten und die Ehre und Würde ihrer Herren verkündeten): Richental 2013, 169, Z. 21-22.
[11] Richental 2013, 47, Z. 24-29.
12 Schuler 1966, 163. Neuere Forschung bei Morent-Leopold-Steinheuer 2017.
[13] Richental 2013, 206, Z. 20-21. Manfred Schuler weist darauf hin, dass bei der Zahl von 1700 „allerdings die Familienangehörigen und das Hausgesinde mit inbegriffen“ seien (Schuler 1966, 163).
[14] Vgl. Haid-Praßl ca. 2005. https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dff2.
[15] „Die Quellentexte“, so Manfred Schuler in seinem einschlägigen Aufsatz, „belegen […] die Posaunisten und Trompeter meist unterschiedslos mit der Bezeichnung Posauner (prusuner), während die Spieler der Holzblasinstrumente allgemein Pfeifer (pfifer; fistulatores) genannt werden. Analog dazu dient das Wort ‚tuba‘ als Sammelbegriff für die Holzblasinstrumente“. (Schuler 1966, 163). Abbildungen, Beschreibungen und Hörbeispeile zu den Instrumenten: » H. Instrumentenmuseum. Zu Tätigkeit und Lebensbedingungen der Instrumentalisten vgl. » E. Musiker in der Stadt.
[17] Schuler 1966, 168. Vgl. auch » E. Die Klang-Aura der Stadt. Kap. Stadt- und Hoftrompeter, Anm. 29. „König Sigismund erteilte auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) Trompeterprivilegien an die Freien Reichsstädte Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Ulm“ (Żak 1979, 149–155).
[2] Bock 2015, 22.
[3 Peters 1976, 233.
[5 Scheibelreiter,ca. 2010, Sp. 968-970.
[8] Vgl. von Moos 2006, 158-159, zur Einkleidung des Herolds und zum Namenswechsel: „In der immer komplexer werdenden Entwicklung der Heraldik, deren Grundfigur doch stets die Verortung eines Individuums in einer Gruppe und der Gruppe in der Gesamtgesellschaft darstellt, bedeutet diese ‚Investitur‘ eine symbolische Personifizierung, gewissermaßen die spiegelbildliche Identitätsrepräsentation des Herrn durch seinen Herold.“ Vgl. außerdem Bock 2010: Dort finden sich weitere Überlegungen zum „Verständnis des Herolds als ‚Medium‘“ (S. 265) sowie Hinweise auf entsprechende Forschung.
[9] Richental 2013, 12, Z. 7-8.
[10] „Item recht herolten von allen künigrichen, die der küng wapen truogend und ir bottschaft wurben und iro herren er und wirdikait uß sprachen […]“ (offizielle Herolde aller Königreiche, die die Wappen der Könige trugen, ihre Botschaften ausrichteten und die Ehre und Würde ihrer Herren verkündeten): Richental 2013, 169, Z. 21-22.
[11] Richental 2013, 47, Z. 24-29.
[12] Schuler 1966, 163. Neuere Forschung bei Morent-Leopold-Steinheuer 2017.
[13] Richental 2013, 206, Z. 20-21. Manfred Schuler weist darauf hin, dass bei der Zahl von 1700 „allerdings die Familienangehörigen und das Hausgesinde mit inbegriffen“ seien (Schuler 1966, 163).
[15] „Die Quellentexte“, so Manfred Schuler in seinem einschlägigen Aufsatz (Schuler 1966), „belegen […] die Posaunisten und Trompeter meist unterschiedslos mit der Bezeichnung Posauner (prusuner), während die Spieler der Holzblasinstrumente allgemein Pfeifer (pfifer; fistulatores) genannt werden. Analog dazu dient das Wort ‚tuba‘ als Sammelbegriff für die Holzblasinstrumente“. (Schuler 1966, 163). Abbildungen, Beschreibungen und Hörbeispeile zu den Instrumenten: » H. Instrumentenmuseum. Zu Tätigkeit und Lebensbedingungen der Instrumentalisten vgl. » E. Musiker in der Stadt.
[17] Schuler 1966, 168. Vgl. auch » E. Die Klang-Aura der Stadt. Kap. Stadt- und Hoftrompeter, Anm. 29. „König Sigismund erteilte auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) Trompeterprivilegien an die Freien Reichsstädte Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Ulm“ (Żak 1979, 149–155).
[18] Zum Autor vgl. Liebhart [https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/sende….
[22] Zur Rolle der Herolde bei Einzügen, Herrschertreffen und Krönungen siehe auch Bock 2015, 280-287.
[24] Zum Holzschnittzyklus siehe Cuneo 1998.
[26] Ab und an wird in der Forschung eine „Heroldstrompete“ erwähnt, z.B. mit Abbildung: Bowles 1977, 78-79. Wenn ich recht sehe, handelt es sich nicht um die Trompete eines Herolds, sondern um eine mit einem Wappentuch versehene Trompete, die dann – wie die anderen Trompeten eben auch – von einem Trompeter gespielt wurde. Zu sehen sind diese Trompeten in » Abb. Trompeter gegenüber Armbrustschützen.
[27] Suchenwirt 1827, “Eralden und gernde leut”. Vgl. auch die hier in » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner), Anm. 15, zitierten Ausgaben.
[29] Achnitz 2008, 497.
[30] Achnitz 2008, 497-498.
[31] Kellermann 2000, 94.
[32] Niemeyer 2001, 39.
[33] Niemeyer 2001, 51.
[34] Zu Gesang und Liedvortrag bei Beheim vgl. Spriewald 1990. Außerdem: Wachinger 1979, 37-75.
[35] Scheibelreiter, „Herold“, Sp. 968-970 [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[36] Ich danke Reinhard Strohm für den Hinweis auf diesen Holzschnitt.
[37] Graf, Klaus. „Parzival als Nebenform für Persevant“ (https://archivalia.hypotheses.org/1668).
[38] Beispiele vor allem bei Pietzsch 1966 und Pietzsch, Musik in Reichsstadt (1966/1967), 73-99.
[39] Kellermann, Karina, und Albert Gier: „Heroldsdichtung“, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 4, Sp. 2173-2174.
[41] Bock 2015, 321.
[42] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Michel Beheim.
[43] » B. Spruchsang in den österreichischen Ländern (Horst Brunner). Kap. Reimreden und Spruchtöne in Österreich im 14. und 15. Jahrhundert.
[44] Stichworte zu den Veränderungen bei Scheibelreiter: „Herold“, Sp. 968-970. [www.HRGdigital.de/HRG.herold].
[45] Bebermeyer, Gustav. Art. „Pritschmeister“, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 3 (1977): 257-262, 257b.
Empfohlene Zitierweise: Ott, Michael R., “Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530), in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich, <Herolde und ihre Geräuschkulisse (1414-1530) | Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich> (2024).