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Humanistische Herrscherhuldigung

Andrea Horz

Der im Bildprogramm der Melopoiæ abgebildete Lorbeer ist ebenso wie die Darstellungen des Apolls bezeichnend. Der Dichtergott Apoll trug als Zeichen seines Kummers über die unerwiderte Liebe zu Daphne einen Lorbeerkranz oder schmückte seine Leier damit. Der Lorbeerkranz Apolls – seit der Antike Symbol des Ruhmes und des Sieges – kennzeichnet auch die poetae laureati. Die Dichterkrönung war Ehre und Pflicht zugleich, denn nicht nur der Poet erhielt damit Ruhm, auch der die Krönung vornehmende Herrscher wollte daran teilhaben: Im Gegenzug sollte der Gekrönte mit seinem Werk den Machthaber rühmen.

Auch der Initiator des Druckes – Conrad Celtis – trägt den Lorbeer des poeta laureatus (des lorbeergekrönten Dichters), den er als erster Deutscher 1487 von Kaiser Friedrich III. empfing. 1501 ernannte der damalige König Maximilian I. Celtis zum Vorstand des an der Universität Wien neu gegründeten Collegium poetarum et mathematicorum.[11] Das Collegium unterstand direkt dem Landesfürsten bzw. dem Kaiser. Nach dem Vorbild der italienischen Akademien[12] sollten die humanistischen Studien an der Universität Wien – die durch ihren Gründer Rudolf IV. den Habsburgern besonders verbunden war – verankert werden. Diese „moderne“ Einrichtung sollte das Ansehen der Universität weiter erhöhen.[13] Zudem bestand einer der Grundgedanken des von Celtis geführten Wiener Poetenkollegs darin, die Dichterkrönung – und damit zugleich das Herrscherlob[14] – zu institutionalisieren. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Lehrprogramms sollte der Absolvent die Dichterkrone erhalten.[15] Daher umfassten die für das Kolleg stehenden Symbole auch einen Lorbeerkranz (» Abb. Insignien des Collegium poetarum et mathematicorum).

 

 

Hand in Hand gingen also die Glorifizierung des Herrschers und das humanistisch-gelehrte Bestreben, das antike Erbe zu erneuern und zu bewahren. Auch die von Celtis mit der Melopoiæ vorgelegte Lösung, wie eine musikalische Präsentation antiker Lyrik ausgesehen haben mag, ist nicht allein von gelehrtem Interesse. Denn der Vortrag metrischer Dichtung war auch ein Mittel, den Herrscher zu rühmen – und was konnte attraktiver sein, als den von der Antike ererbten Machtanspruch mit einem ebenfalls für antik befundenen Vortragsstil zu verkünden?[16] Der Odengesang erhielt in Verbindung mit der Herrscherwürdigung eine überaus praktische Komponente.

Celtis erweiterte die performative Funktion des musikalischen Odenvortrags, indem er ihn in Bühnenstücke einsetzte. Die Rezeption der antiken Dramentheorie, einschließlich der philologischen Erschließung, insbesondere der Dramen Senecas, sowie die Aufführung antiker Bühnenwerke,[17] beispielsweise von Terenzkomödien, waren Celtis ein Anliegen, aber offenbar auch Anregung für eigenes Schaffen. In seinen zwei erhaltenen Bühnenstücken steht das Herrscherlob im Mittelpunkt. Musik ist in diesen beiden Stücken auch vorgesehen. Der Odengesang kommt bei der Nachgestaltung eines antiken Chores zum Einsatz.

[11] Einen kurzen Überblick über Conrad Celtis’ Leben bietet beispielsweise Robert 2008. Vgl. auch Plieger 2012, 184 ff. Plieger kann zeigen, wie sehr Celtis auch im Totengedenken noch den Leiter der römischen Akademie, den dem Platonismus verbundenen Pomponius Laetus, nachahmt.

[12] Insbesondere war die römische Akademie unter Pomponius Laetus Vorbild. Siehe Mühlberger 2004, 766.

[13] Vgl. hierzu und u. a. zur Rolle Celtis’ bei der Gründung: Mühlberger 2004, 766.

[14] Müller 1987, 208 f., gibt einige wichtige Stichpunkte zum Gedechtnuswerk Maximilians.

[15] Siehe dazu Mühlberger 2004, 772.

[16] Jan-Dirk Müller formuliert das Paradox der höfischen Renaissancekultur folgendermaßen: „Nur die Antike, ihre Mythologie und ihr Formenkanon verleihen dem Hof und an seiner Spitze dem Herrscher Glanz und Ruhm, aber die Adaptation muss stets das Adaptierte zu überbieten behaupten.“ (Müller 2009, 5).

[17] Siehe Dietl 2005, 188 ff.