Legitimation des Irdischen?
Alle in der bildenden Kunst dargestellten Engelsmusiken bleiben unhörbar, so sehr sie den Betrachter an real erklingende Musik erinnern mochten, so sehr die Klänge ihres Musizierens auch über die unsichtbare Wand der Bildoberfläche hinauszudrängen scheinen. Tatsächlich ergibt eher die Umkehrung Sinn: Weniger lässt sich von den Bildern auf die real erklingende Musik rückschließen, sondern umgekehrt lassen jene dieser die Aura des Übersinnlich-Jenseitigen zuteilwerden. Dadurch wurde theologisch Fragwürdiges wie der Gebrauch von Instrumenten zum Gotteslob[7] legitimiert, die umstrittene Polyphonie nobilitiert und ihr jubilierend-freudiger Klang zur Engelsmusik erhoben.[8] So „erklingt“ in der Wiener Marienkönig (» Abb. Maria am Gestade) und schon in ihrem Vorbild – dem Genter Altar der Brüder van Eyck – an der Orgel ein Dreiklang als Symbol des unaufhörlichen Lobgesangs;[9] im „Jüngsten Gericht“ im Tiroler Ferdinandeum singen, während die Posaunen erschallen, drei Engel ein mensuriertes Gloria (» Abb. Das jüngste Gericht), und auf zwei Bildern eines Meisters aus Brügge und einem Deckengemälde im Château Montreuil-Bellay ist sogar eine veritable musikalische Komposition – Walter Fryes geistliches Chanson Ave regina celorum, mater regis angelorum – zu erkennen.[10]
[7] Dazu Fallows 1983; Fallows 1985, v. a. 33; Nedden 1932/33, 31. Diese Belege zeigen vor allem den Gebrauch von „haute musique“, während die Engelskonzerte mit „basse musique“ vielleicht die Intimität einer häuslichen Aufführung suggerieren sollen.
[8] So der Theologe Gilles Carlier und andere, vgl. Fuhrmann 2014, 121–130.
[9] Fuhrmann 2014, 111–115.
[10] Fuhrmann 2014, 116–121 (dort auch weitere Literaturangaben).
[1] Vgl. beispielsweise die – anhand eines zentralen Texts – übergreifende Untersuchung von Heilmann 2007.
[2] Riedweg 2002, 47.
[3] Die wichtigsten biblischen Stellen: Jesaia 6,1–4; Ezechiel, 3,12 f.; Lukas 2,13 f.; Apokalypse, 4,8 sowie 14,2 f. und 19,1, 4,6.
[4] Nach wie vor grundlegend: Hammerstein 1962. Vgl. auch » C. Engelsmusik sowie Tammen 2014 und die dort in den Fußnote 7 und 229 genannten weiteren Arbeiten.
[5] Madonna mit Kind und musizierenden Engeln, Szépművészeti Múzeum, Budapest. Ähnlich auch Stefan Lochners Madonna im Rosenhag (um 1450).
[6] Vgl. dazu Tammen 2014, 232–235; » C. Engelsmusik.
[7] Dazu Fallows 1983; Fallows 1985, v. a. 33; Nedden 1932/33, 31. Diese Belege zeigen vor allem den Gebrauch von „haute musique“, während die Engelskonzerte mit „basse musique“ vielleicht die Intimität einer häuslichen Aufführung suggerieren sollen.
[8] So der Theologe Gilles Carlier und andere, vgl. Fuhrmann 2014, 121–130.
[9] Fuhrmann 2014, 111–115.
[10] Fuhrmann 2014, 116–121 (dort auch weitere Literaturangaben).
[12] “Vsus tamen musice in ipsa celesti patria non modo ab his qui hic in ea minime sunt eruditi, uerum eciam ab edoctis erit multo dulcior, multo elegantior, multoque subtilior, quam hac in terrestri uita.” (Woodley 1985, 262).
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Fuhrmann: “Himmlische und irdische Musik”, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/himmlische-und-irdische-musik> (2016).