Johannes Lupis Testament und die Trienter Codices
Johannes Lupi (oder Volp oder Wolff) war ein Priester und Musiker aus Bozen, dessen Biographie von Renato Lunelli, Gary Spilsted und vor allem Peter Wright geklärt worden ist.[1] Er ist die wichtigste Persönlichkeit in der Entstehungsgeschichte der frühen Trienter Codices, d. h. der heute als » I-TRbc 87 und » I-TRbc 92 bezeichneten Bände. Lupi hat diese größtenteils selbst geschrieben und höchstwahrscheinlich sein Leben lang in seinem Besitz gehabt. (Eine ähnliche Rolle spielt für die späteren Codices » I-TRbc 90, » I-TRbc 88, » I-TRbc 89 und » I-TRbc 91 Lupis Trienter Kollege Johannes Wiser, » F. Geistliche Mehrstimmigkeit.)
Das entscheidende Beweisstück für Lupis Verbindung zu diesen Musikhandschriften ist sein eigenhändig geschriebenes Testament (bzw. ein Entwurf dazu, der noch nicht bestätigt und gesiegelt ist) aus dem Jahre 1455. Wie aus den einleitenden Sätzen hervorgeht, scheint Lupi eine Pilgerfahrt geplant zu haben, vielleicht nach Santiago de Compostela oder ins Heilige Land, was wegen der damit verbundenen Gefahren (» J. SL Singen und Pilgern) Grund zur Abfassung eines Testaments sein konnte. Allerdings wurde dieses Testament nicht vollstreckt, da Lupi erst 1467 in Trient starb. Das Dokument beginnt folgendermaßen:
Ego Johannes lupi Plebanus in Caldario et Capellanus altaris sancte Maxencie in crippa ecclesie Cath(e)drali / Sancti Vigilii preciosi martiris Tridentini etc. Recognosco et lego necnon ordino et hoc pro ultimo testamento / meo // Si migrarem de hoc seculo avertat deus iam in via peregrinacionis ut illa omnia infrascripta maniant semper / firma et rata sine dolo et fraude / usque qualitercumque revocarem illa in vita mea. et hoc libera et sana mente / propria manu mea hic conscripsi et hoc cum sigillo meo sigillavi et impressi // … [2]
Ich, Johannes Lupi, Pfarrer in Kaltern, Kaplan des Altars von St. Maxentia in der Krypta des Doms von St. Vigilius, des hochverehrten Märtyrers von Trient usw., bestätige, verschreibe und ordne an, als mein letztwilliges Testament: Sollte ich bereits auf dem Weg meiner Pilgerfahrt aus dieser Welt wandern, was Gott verhüte, so sollen alle unten geschriebenen Anweisungen für immer fest und bestätigt bleiben, bis ich sie auf irgendeine Weise in meiner Lebenszeit widerrufen würde. Und dies habe ich freiwillig und geistig gesund hier eigenhändig aufgeschrieben und mit meinem Siegel gesiegelt und imprimiert.)
Wie Wright nachgewiesen hat, ist die Schreiberhand Johannes Lupis in diesem eigenhändigen Testamentsentwurf identisch mit der vorwiegenden Textschrift in den Musikaufzeichnungen der Handschriftenbände I-TRbc 87-I und I-TRbc 92-II, die um 1439–1443 entstanden sind; die Niederschrift des Testamentsentwurfs ist aus guten Gründen kurz vor Mai/Juni 1455 zu datieren.[3] Lupi war seit 1447 Pfarrer von Kaltern und Hofkaplan Herzog Siegmunds von Österreich. Doch schon seit 1443 wird er als Trienter Domorganist erwähnt und besaß vermutlich schon damals die Kaplanei von St. Maxentia im Dom von Trient – eine Pfründe, die öfters an Musiker vergeben wurde.[4] Im Verlauf des Testaments erwähnt Lupi, dass er auch die Kaplanei an der St.-Jakobskapelle auf dem Friedhof der Pfarrkirche von Bozen innehat (vgl. Kap. Lupis Umwelt).
[1] Lunelli 1927; Spilsted 1976; Wright 1986; Wright 1989, 95–113. Lunelli 1927 reagierte auf Wolkan 1921, dem es um die Herkunft vor allem der späteren Codices (» I-TRbc 88, I-TRbc 89, I-TRbc 90, I-TRbc 91 und I-TRcap 93*) ging; doch hat Lunelli wichtige biographische Dokumente zu Lupi erstmals beigebracht. Wright 2013 bietet die bislang ausführlichste Beschreibung der Codices Trient 87-1 (I-TRbc 87) und 92-2 (I-TRbc 92).
[2] Nach Wright 1986, 265, mit kleinen Modifikationen (vgl. das dortige Faksimile).
[3] Vgl. Wright 1986, 252–254.
[4] Vgl. Gozzi/Curti 1994, 106.
[1] Lunelli 1927; Spilsted 1976; Wright 1986; Wright 1989, 95–113. Lunelli 1927 reagierte auf Wolkan 1921, dem es um die Herkunft vor allem der späteren Codices (» I-TRbc 88, I-TRbc 89, I-TRbc 90, I-TRbc 91 und I-TRcap 93*) ging; doch hat Lunelli wichtige biographische Dokumente zu Lupi erstmals beigebracht. Wright 2013 bietet die bislang ausführlichste Beschreibung der Codices Trient 87-1 (I-TRbc 87) und 92-2 (I-TRbc 92).
[2] Nach Wright 1986, 265, mit kleinen Modifikationen (vgl. das dortige Faksimile).
[3] Vgl. Wright 1986, 252–254.
[4] Vgl. Gozzi/Curti 1994, 106.
[5] Wright 1986, 266.
[6] Vgl. Strohm 2014, 25–26.
[7] Das Wort “figuratus” (figuriert) bezeichnet in der Terminologie des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht einen mit Figuren oder Koloraturen ausgezierten Gesang, sondern einen mit besonderen Figuren, d. h. Mensuralnoten, aufgezeichneten Gesang. Der Gegensatz zum cantus figuratus ist der cantus planus, der einstimmige Choral.
[8] Wright 1986, 268.
[9] Zusammengefasst bei Wright 1986, 255–258.
[10] Diese Kaplanei war vielleicht nicht hoch dotiert, aber wegen ihrer zentralen städtischen Bedeutung (u. a. als Sitz einer wohlhabenden Zunft und später der Fronleichnamsbruderschaft) schon fast seit der Zeit ihrer Gründung durch reiche Bürger im Jahre 1378 von dem Tiroler Herzog und dem Trienter Domkapitel umkämpft. Dass Lupi bereits jener gelehrte „Hanns von Wien“ gewesen sein könnte, der 1423 von den Bozner Bürgern als Kaplan eingesetzt werden sollte, jedoch vom Herzog nicht geduldet wurde, bleibt bisher Hypothese; vgl. Haslers Urbar (» E. Bozen), fol. 98v. Jedenfalls war die Bestallung Lupis 1431 die erste seit Jahrzehnten, die im Einvernehmen zwischen Domkapitel und Herzog zustande kam.
[11] Es ist die Motette Argi vices Polyphemus, vielleicht von Nicolaus Zacharie: vgl. Strohm 1993, 116–117. Zu Herzog Friedrich IV., Lupi und den Konzilien vgl. Strohm 2013.
[12] Zu dieser Frage vgl. Wright 1982 und Strohm 2013.
[13] Vgl. Wright 1989, 108.
[14] Vgl. Wright 1982.
[15] Weiteres bei Strohm 2013.