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Lupis Werdegang bis 1439: Wiener Student, Tiroler Kaplan

Reinhard Strohm

Nach den Forschungen von Leo Santifaller und nach ihm Lunelli, Spilsted und Wright[9] stammte Johannes Lupi (oder Wolff oder Volp), aus Bozen. Er wurde im Herbst 1428 an der Universität Wien immatrikuliert und der „nacio Australium“ (österreichischen Studienvereinigung) zugerechnet. Das Jahr seiner Graduierung ist noch nicht ermittelt. Lupi könnte sowohl den späteren Stephanskantor Hermann Edlerawer kennengelernt haben, der 1414 in Wien immatrikuliert wurde (» G. Hermann Edlerawer), oder auch Magister Hermann Pötzlinger, der 1436–1439 dort studierte (» G. Hermann Poetzlinger). Lupi wird dann 1431 als Kleriker der Diözese Trient bezeichnet (d. h. er hatte die niederen Weihen dort erhalten), und zwar in einem Präsentationsbrief auf die Kaplanei der St.-Jakobskapelle im Friedhof der Pfarrkirche zu Bozen, der von Herzog Friedrich IV. am 27. Mai 1431 ausgestellt wurde. Mit Herzog Friedrich, Graf von Tirol und Herrscher der österreichischen Vorlande, haben wir einen wichtigen habsburgischen Mäzen vor uns, der im Jahre 1420 die Landesregierung von Schloss Tirol bei Meran nach der verkehrsgünstigeren und aufstrebenden Stadt Innsbruck verlegt hatte und der die Silber- und Kupferminen Nordtirols systematisch auszubeuten begann. Hinter dem populären Namen „Friedel mit der leeren Tasche“ verbarg sich seine weitblickende Finanzpolitik; Tirol wurde ein reiches und kulturfreudiges Territorium. Oswald von Wolkenstein, als Vertreter des alteingesessenen Tiroler Kleinadels, war einer der Intimfeinde des Herzogs, den er in einem seiner Gedichte (KL 26) einmal spöttisch als Liebhaber des „fa-sol-la“ (d. h. der gelehrten Musik) bezeichnet. Dass Lupi dem Herzog seit 1428 persönlich als Hofkaplan diente, scheint nicht sicher belegt; jedoch wurde er von diesem Mäzen nach seiner Wiener Studienzeit bereits 1431 mit der Kaplanei der Bozner St.-Jakobskapelle betraut, die vermutlich als Pfründe seine Hofdienste finanzieren sollte.[10]

 

Abb. Herzog Friedrich IV.

Abb. Herzog Friedrich IV.

Friedrich IV., Herzog von Österreich und Graf von Tirol (1382–1439). Kunsthistorisches Museum, KHM Museumsverband Wien,Inv-Nr. GG_4427 (Ambraser Sammlung); 16. Jh.

 

Über die Musikpflege am Hofe Friedrichs IV. ist wenig bekannt; er hatte einen Kaplan namens Johannes, der um 1435 offenbar einmal für ihn nach Konstanz (und Basel?) reiste. Zu denken gibt, dass der Herzog, der 1415 den schismatischen Papst Johannes XXIII. gegen König Sigismund und das Konstanzer Konzil unterstützt hatte und dafür zeitweilig in Reichsacht getan worden war, zumindest einen Teil des um 1435 entstandenen Codex Aosta (» I-AO Cod. 15) besaß, in dem noch 1439 eine große Huldigungskomposition auf Johannes XXIII. eingetragen wurde.[11] Das mit Sicherheit von Lupi geschriebene Fragment einer großen Kapellhandschrift im Kloster Zwettl, (» A-ZW) war angesichts seiner Entstehungszeit um 1432–1436 vielleicht ebenfalls für den Innsbrucker Hof, oder für das Basler Konzil, bestimmt.[12]

[9] Zusammengefasst bei Wright 1986, 255–258.

[10] Diese Kaplanei war vielleicht nicht hoch dotiert, aber wegen ihrer zentralen städtischen Bedeutung (u. a. als Sitz einer wohlhabenden Zunft und später der Fronleichnamsbruderschaft) schon fast seit der Zeit ihrer Gründung durch reiche Bürger im Jahre 1378 von dem Tiroler Herzog und dem Trienter Domkapitel umkämpft. Dass Lupi bereits jener gelehrte „Hanns von Wien“ gewesen sein könnte, der 1423 von den Bozner Bürgern als Kaplan eingesetzt werden sollte, jedoch vom Herzog nicht geduldet wurde, bleibt bisher Hypothese; vgl. Haslers Urbar (» E. Bozen), fol. 98vJedenfalls war die Bestallung Lupis 1431 die erste seit Jahrzehnten, die im Einvernehmen zwischen Domkapitel und Herzog zustande kam.

[11] Es ist die Motette Argi vices Polyphemus, vielleicht von Nicolaus Zacharie: vgl. Strohm 1993, 116–117. Zu Herzog Friedrich IV., Lupi und den Konzilien vgl. Strohm 2013.

[12] Zu dieser Frage vgl. Wright 1982 und Strohm 2013.