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Ein mensuriertes Credo im Graduale Pataviense

Marco Gozzi

Von den zahlreichen Beispielen, die in liturgischen Codices des österreichischen, bayrischen und Tiroler Gebiets vorkommen, sei hier ein bedeutsames Stück besprochen: ein Credo im Graduale Pataviense (fol. 291v–292v), das Johannes Winterburger 1511 in Wien drucken ließ (» Abb. Credo Winterburger).[2]

 

 

Dieser Gesang ist der letzte der drei mensural notierten Credos am Ende des Bandes vor dem Register. Es gibt viele Konkordanzquellen: Das Repertorium von Miazga verzeichnet achtzehn überliefernde Handschriften (fünf deutsche, fünf aus Prag, vier polnische, zwei schweizerische, eine vielleicht aus Neustift/Novacella und eine aus Belgien).[3] Die ältesten Quellen sind: » I-Ra 1424 (Graduale des 14. Jahrhunderts aus Bamberg), » D-Mbs Clm 14274 (St.-Emmeram-Codex), » A-Iu Cod. 457 (Handschrift des 14. Jahrhunderts, vielleicht aus Neustift; vgl. auch » A. Vom Bordun zum Discantus) – das Credo auf fol. 90r ist von späterer Hand eingetragen und endet mit “passus et sepultus est”, » PL-Pa 76 (aus Polen, datiert 1437).

Die Melodie dieses Credos ist ein Unikum; sie gehört zu einer ausgedehnten Familie von Credomelodien im cantus fractus, die in Europa seit dem 14. Jahrhundert entsteht und deren Prototypen unter den Namen Credo regis und Credo cardinalis bekannt sind.[4]

[2] Faksimile in Väterlein 1982.

[3] Miazga 1976. Zu böhmischen Quellen vgl. Hlávková-Mráčková 2016.

[4] Gozzi, Marco: I prototipi del canto fratto: Credo regis e Credo cardinalis, in: Gozzi 2012, 137–154; Gozzi 2006.