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Dürers „Österreichische Heilige“

David Merlin

Im Folgenden wird eine besondere Gruppe von Heiligen betrachtet. Sie ist hier aus kulturwissenschaftlicher Sicht als Gruppe relevant, jedoch sind nicht alle dieser Heiligen von musikgeschichtlicher Bedeutung.

In einem Albrecht Dürer zugeschriebenen Holzschnitt von ca. 1515–1517 sind acht „österreichische Heilige“ dargestellt (» Abb. Dürers „österreichische Heilige“).[86] Jeder der acht Männer ist von einem Heiligenschein umgeben und wird von einer darunter liegenden Inschrift vorgestellt, worin nach dem Prädikat sanctus (abgekürzt als „S.“) Name und Titel geschrieben stehen. Die Heiligen sind mit den jeweiligen zu ihnen passenden Gewändern und mit den ihnen zugehörigen Attributen porträtiert (Bischofsmütze und Hirtenstab, Ritterrüstung und Schild, Pilgerhut und -stab sowie Strang, Krone und Wappen, Palmzweig, usw.). Es handelt sich um folgende Heilige (von links nach rechts): Quirinus (Bischof und Märtyrer), Maximilian (Bischof und Märtyrer), Florian (Märtyrer), Severin von Norikum, Koloman (Märtyrer), Leopold (Markgraf), Poppo (Bischof), Otto (Bischof).

In dieser Gruppe finden sich zwei historische Persönlichkeiten, die anscheinend in einer bestimmten Epoche und in bestimmten Kreisen gerne als Heilige angesehen wurden: Poppo, Erzbischof von Trier (†1047)[87], und Otto, Bischof von Freising (†1158).[88] Allerdings sind sie keine Heiligen im eigentlichen Sinne; weder entstand eine Verehrungstradition, noch wurden sie kanonisiert – daher fanden sie nie Eingang in die Liturgie.[89] Poppo und Otto teilen sich noch eine Eigenschaft: Sie stammen aus der Familie der Babenberger. Poppo war ein Sohn des Markgrafen Leopold I., Otto der fünfte Sohn Leopolds III., der ebenfalls in dieser Abbildung von „österreichischen Heiligen“ erscheint. Otto und Poppo wurden offensichtlich wegen ihrer familiären Abstammung in diese Gruppe aufgenommen. An die Seite des 1485 heiliggesprochen Leopolds III. wollte man andere Mitglieder des Herrschergeschlechtes der Babenberger setzen.

Quirin und Maximilian werden als Titulare eines nicht historischen Bistums genannt: die Erzdiözese Lorch (Lauriacum). Das (legendäre) Bistum Lorch gilt als Vorfahre der Diözese Passau. Die Beförderung zur Erzdiözese machte der letztgenannten und den österreichischen Ländern alle Ehre.

Es fehlen allerdings in dieser Darstellung einige Persönlichkeiten, die im österreichischen Raum wirkten und für die tatsächlich eine liturgische Verehrung stattfand, wie z. B. die hl. Hemma von Gurk oder der hl. Nonnosus von Molzbichl in Kärnten (und von Freising).[90] Dazu kann noch der als Heiliger verehrte Passauer Bischof Altmann (†1091) erwähnt werden. Darüber hinaus mag es kein Zufall sein, dass die Salzburger Heiligen nicht berücksichtigt wurden, selbst nicht der hl. Rupert.[91]

Die Auswahl der „Heiligen“ und die Entstehung dieses Holzschnitts sind mit der „Sipp-, Mag- und Schwägerschaft“[92] Kaisers Maximilian I. und mit seiner Entourage in Verbindung zu bringen. Dieses Bild diente nicht allein einem religiösen Zweck, sondern vielmehr einem politischen. Dies ist u. a. an der Figur von Markgraf Leopold ersichtlich: Er hält kein Kirchenmodell. D. h. er wird nicht wie üblich als Stifter dargestellt, sondern als Herrscher mit Hermelinmantel, dem Szepter, dem Wappen, sowie dem Herzogshut – was ein offenkundiger Anachronismus ist. Eine solche Darstellung entstand primär aus Repräsentationsgründen, wohl weniger für die (private) Frömmigkeit und durchaus nicht für die (offizielle) Liturgie. Hier überschreitet die Heiligenverehrung, wie es u. a. für Koloman und Leopold auch sonst zu beobachten ist, die Tür der Sakristei, um Eintritt in die Ratskammer zu erlangen.

 

Abb. Dürers „österreichische Heilige“

Abb. Dürers „österreichische Heilige“

Albrecht Dürer zugeschriebener Holzschnitt (wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit Hans Springinklee) von ca. 1515 mit acht „österreichischen Heiligen“. © Albertina, Wien.

 

[86] Zwei Exemplare sind im British Museum aufbewahrt (Museum number E,2.320 und 1895,0122.697;  http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx). Vgl. dazu auch: Eva Michel und Maria Luise Sternath (Hrsg.), Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, München 2012, S. 175 (Katalognummer 25). Kommentar zu den Heiligengestalten bei Niederkorn-Bruck 2014, 32–35.

[87] Vgl. Haarländer 2001.

[88] Vgl. Goetz 1998.

[89] Im Kodex » A-Wn 4494 (Orationale Kaiser Friedrichs III.) sind Otto und Poppo nicht eingetragen; vgl. Strohm 2007, 249. Weitere Forschungen werden höchstwahrscheinlich zeigen, dass die von Dürer gezeichneten, nicht heiliggesprochenen “Heiligen” auch in anderen persönlichen Brevieren von Friedrich III. und Maximilian I. nicht eingetragen sind.

[90] Zum hl. Nonnosus siehe besonders Amon 2001.

[91] Rupert und Virgil sind aber erwartungsgemäß im Kodex »  A-Wn 4494 eingetragen; vgl. Strohm 2007, 249.

[92] Österreichische Nationalbibliothek, Miniaturenkodex D, Werkstatt Jörg Kölderers, um 1515. Siehe dazu Laschitzer 1886/1887.