Kriegsrufe, Gewehrfeuer und Tanzmetaphorik
Neben den musikalischen Signalen finden sich in den Quellen auch verbale Rufe. Damit ist nicht der in solchen Gedichten übliche Dialog gemeint, sondern der Versuch, das Geschrei der Soldaten auf dem Schlachtfeld zu imitieren. In der Regel hatten diese Rufe die Funktion, die Teilnehmer der Schlacht zu kennzeichnen, wobei häufig eine fremde Sprache verwendet wurde. Der bereits erwähnte Ruf „stara pravda” im Lied von den krainischen Bauern gehört zu dieser Gruppe. In ähnlicher Weise wird in einem Lied über die Belagerung von Verona den lokalen Truppen, die gegen die Franzosen kämpfen, ein Ruf in italienischer Sprache zugeschrieben:
Am häufigsten wird auf Gewehrfeuer, für das sich gerade eine neue Begeisterung entwickelt hatte, Bezug genommen. Die meisten Beschreibungen von Schüssen in den Dichtungen konzentrieren sich auf das Geräusch, das sie produzierten, mit Wörtern wie „krachen” oder „schallen.” Die Lautstärke des Knalls sowie dessen weitreichendes Echo werden in den Beschreibungen häufig betont. So heißt es beispielsweise: „Sy traten an, der büchsen ton hört man gar weite krachen”[77] Die zuvor angeführte Beschreibung von Michel Beheim bietet eine besonders anschauliche Darstellung der Wahrnehmung dieser Klänge als ein einheitlicher akustischer Eindruck. Obwohl Beheims Beschreibung ein Beispiel für die „Verlärmung” von Musikinstrumenten anbietet, lässt sich in anderen Gedichten eine gegenläufige Tendenz beobachten, nämlich die Musikalisierung von Waffen.[78] Das Letztere hat sich weit über den Bereich der Poesie hinaus etabliert. Eine weiter gefasste Assoziation zwischen Kanonen und Vögeln führte zur musikalisch inspirierten Benennung zweier Kanonengeschlechter: der Nachtigall und der Sängerin, die beide häufig zum Stoff musikalischer Metaphern wurden.[79] Eine Inschrift auf einer von Meister Steffan zu Frankfort im Jahr 1519 gegossenen Nachtigall lautet zum Beispiel:
Die Verbindung zwischen Musik und Gewalt, bzw. die Metapher des Krieges als Tanz, die ihre Wurzeln in der Antike hat, war für den spätmittelalterlichen Dichter keine neue Erfindung.[82] Allerdings veranschaulicht der Text, so wie in der Inschrift, den ironischen Charakter zeitgenössischer Kriegsmetaphern, die, aufgrund einer Entwicklung in der deutschen Kriegsterminologie, eine negative Betrachtung von Gewalt, die Unruhe auf dem Schlachtfeld, und eine positive Betrachtung von Musik, die hübsche Musik, die den Tanz anhebt, nebeneinanderstellen mussten.
In bestimmten Fällen lässt die Verwendung von musikalischen Metaphern Rückschlüsse auf das Wissen des Dichters über die zeitgenössische Kriegstechnik zu. In einem Lied über die Niederlage Ulrichs von Württemberg im Jahre 1519 während der Einnahme des Tübinger Schlosses singen Waffen in der Art des Kontrapunkts.
Bei näherer Betrachtung der im Gedicht genannten Geschütze fällt auf, dass der Dichter die Nachtigall und die scharfe Metz, deren Kanonenkugeln ungefähr 50 bzw. 100 Pfund wogen, an erster Stelle nennt, während er die Rolle des Diskants der Karthaune und der Schlange zuschreibt, leichteren Geschützen, deren Kugeln lediglich 25 bzw. 8 Pfund wogen.[84]
[71] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 296, Strophe 12.
[72] Liliencron 1867, Bd. 3, 185.
[73] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 81, Strophe 13.
[74] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 79, Strophe 20.
[75] von Liebenau 1873, 346–7.
[76] Cramer 1979, Bd. 2, 268–74, Strophe 3 vv. 18–9.
[77] Liliencron 1866, Bd. Nr. 247, Strophe 13.
[78] Zum Begriff „Musikalisierung“ im Kontext des Krieges vgl. Kaltenecker 2016, 25–7.
[79] Müller 1968, 81–7.
[80] Eine standardisierte Version des Textes und ein textkritischer Apparat sind im Katalog des Deutschen Inschriften Online vorhanden. DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 254†.
[81] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 370, vv. 11–19.
[82] Vgl. van Orden 2005, 187–217.
[83] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 317, Strophe 25.
[84] Fronsperger 1819, Bd. 1, 176–7; Müller 1968, 238–41; Schneider 1868, 132.
[1] Schanze 1999b, 305–6; Brednich 1975, Bd. 2, 59–61.
[2] Liliencron 1865–1869.
[3] Vgl. Kellermann 2000, 35; Honemann 1997, 399–401.
[4] Z.B. Erk/Böhme 1893/1894, Bd. 1, vii; Janicke 1871, 3; Suppan 1966, 38.
[5] Sauermann 1975, 301; Hampe 1919, 52.
[6] Müller 1974, 26–7; Sauermann 1975, 301–2.
[7] Kellerman 2000, 13, 86–7; Kerth 1997, 9.
[8] Kerth 1997, 9.
[9] Kellermann 2000; Kerth 1997; Seibert 1978; Wenzel 2018.
[10] Vgl. Eickmeyer 2017, 29; Honemann 1997, 418–9; Brednich 1974, Bd. 1, 154; Straßner 1970, 242; Kellermann 2000, 311.
[11] Vgl. Kellermann 2000, 92–8, 155–6, 277; Wenzel 2018, 247–62.
[12] Zum “Agitationszweck” vgl. Völker 1981, 23; Vgl. auch Hampe 1928, 251–278; von Liebenau 1873, 346–7.
[13] Vgl. Hermann 2006, 65; Rogg 2002, 274–6.
[14] Liliencron 1866, Bd. 2, Nr. 138. Dieser Liedtext wurde wahrscheinlich auf den hier unten behandelten Wissbeck-Ton gedichtet: vgl. » F. SL Die Missa O Österreich (Reinhard Strohm).
[15] Suppan 1995, 157.
[16] Zu den Begriffen „autrichité“ und „Habsburgisches Spätmittelalter” vgl. Müller, 1986, Bd. 1, 427–8; Spechtler 1986, Bd. 1, 470.
[17] Zu Beheim siehe » B. Spruchsang (Horst Brunner).
[18] Gille-Spriewald 1968–1972, Bd. 1, Nr. 105, Nr. 106, Nr. 112, Bd. 2 Nr. 238–9.
[19] » B. Lieder in der Region Österreich (Nicole Schwindt).
[20] GB-Lbl Add. 16592, fol. 22r–23v; Schmidt 1970, 520; Seemüller 1897, 170; Seemüller 1897, 587.
[21] Seemüller 1897, 587–8.
[22] Seemüller identifiziert zwei Hände aus dem 16. Jahrhundert für die ersten sechs Nummern, einschließlich des Abschnitts über Friedrich III. Seemüller 1897, 589.
[23] Schneider 1991, 85–95; Neugart 1989, 451–2; Müller 1986, 439.
[24] Vgl. ferner Strohm 2001, 58.
[25] Thum nennt einige Verse in der Ichform aus dem Text, die auf Beheims Furcht hinweisen: Thum 1984, 323.
[26] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 81, 82, 79; Rattay 1986, 99–110.
[27] Tschudi 1996, 174; Vgl. Rattay 1986, 112.
[28] Übersetzung von Müller 1986, 446.
[29] Anselm 1826, 7; Thum 1984, 352–3.
[30] Vgl. Hampe 1928, 251–278.
[31] von Liebenau 1873, 347; Rattay 1986, 40–1.
[32] Mayer 1883, Bd. 1, 21–30; Dolch 1913, Bd. 1, 14–130.
[33] Seibert 1978, 381.
[34] Seibert 1978, 383.
[35] Zahn 1884, 245; Schmidt 1970, 520; Weller 1862, Bd. 1, Nr. 147; Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 409, 410.
[36] Wenzel 2018, 225; Lilencron 1867, Bd. 3, Nr. 338, 339; Brednich 1975, Bd. 2, Nr. 249.
[37] Wenzel 2018, 227; Lipphardt 1965, 79.
[38] Wenzel 2018, 226.
[39] In anderen bekannten Imitationen des Fünfschlags, darunter der zweite Teil von Clément Janequins La Bataille und William Byrds The Flute and Drome, wird ein deutlicherer Marschtakt durchgehalten, wodurch das musikalische Zitat unverkennbar wird. Vgl. Wenzel 2018, 226–7.
[40] Das ist mit ähnlichen Motiven in der L’homme armé-Melodie vergleichbar. Vgl. Strohm 2001, 62.
[41] Wenzel 2018, 201–211.
[42] Nehlsen und Schlegel 2012, 187. Siehe auch » B. Kap. Liedtexte mit Verweis auf Orte oder Ereignisse aus der Region Österreich (Sonja Tröster).
[43] Nehlsen und Schlegel 2012, 188–92.
[44] Wenzel 2018, 203; D-Dl M 53, fol. 160r.
[45] Bäumker 1895, 67; Nehlsen und Schlegel 2012, 194–5.
[46] Wenzel 2018, 211–224.
[47] Vgl. Wenzel 2018, 211; Liliencron 1867, Bd. 3:263–4, Erk/Böhme 1893/1894, Bd. 1 480; Kellermann 2000, 258.
[48] Schanze betont zu Recht, dass Wißbeck nicht der Komponist der Melodie selbst sein muss, aber das ist ohnehin nicht die Absicht der meisten Behauptungen. Schanze 1999, 1271–1272.
[49] Wenzel 2018, 211 Anm. 11; Liliencron 1866, Bd. 2, 557–8, Nr. 247.
[50] Wenzel 2018, 215.
[51] Kellerman 2000, 285–332.
[52] McDonald 2017, 372; Kellermann 2000, 244; Müller 1986, 453–5.
[53] Kellerman 2000, 256.
[54] Reichel 1985, 145; Kellerman 2000, 326.
[55] Neugart 1989, 451–2.
[56] Z.B. „Der uns das liedlein neus gesang/ain landsknecht ist ers ja genant”; Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 367, Strophe 11.
[57] Vgl. Abele 2006, 42–4; Wenzel 2006, 29; Wenzel 2018, 171.
[58] Strohm 2014, 8–11.
[59] Senn 1956, 191.
[60] Wenzel 2018, 60, 71.
[61] Rogg 2002, 106.
[62] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 120, Strophe 5; CH-BEb Mss.h.h.I.3, ff. 48–50.
[63] Gille/Spriewald 1968, Bd. 1, Nr. 106, vv. 151–60.
[64] Wenzel 2012, 282.
[65] Wenzel 2018, 112.
[66] Vgl. Liliencron 1866/1867, Bd. 2, Nr. 218 Strophe 8; Nr. 226 Strophe 10; Bd. 3, Nr. 354 Strophe 15.
[67] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 400, vv. 53–56.
[68] Wenzel 2018, 115; Wenzel 2012, 280.
[69] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 412, vv. 44–50.
[70] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 414, Strophe 26.
[71] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 296, Strophe 12.
[72] Liliencron 1867, Bd. 3, 185.
[73] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 81, Strophe 13.
[74] Liliencron 1865, Bd. 1, Nr. 79, Strophe 20.
[75] von Liebenau 1873, 346–7.
[76] Cramer 1979, Bd. 2, 268–74, Strophe 3 vv. 18–9.
[77] Liliencron 1866, Bd. Nr. 247, Strophe 13.
[78] Zum Begriff „Musikalisierung“ im Kontext des Krieges vgl. Kaltenecker 2016, 25–7.
[79] Müller 1968, 81–7.
[80] Eine standardisierte Version des Textes und ein textkritischer Apparat sind im Katalog des Deutschen Inschriften Online vorhanden. DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 254†.
[81] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 370, vv. 11–19.
[82] Vgl. van Orden 2005, 187–217.
[83] Liliencron 1867, Bd. 3, Nr. 317, Strophe 25.
[84] Fronsperger 1819, Bd. 1, 176–7; Müller 1968, 238–41; Schneider 1868, 132.