Erasmus Gunther aus München
Der erwähnte Streit ging um die Ansprüche der Wiener Bettelorden (Minoriten, Augustiner-Eremiten, Dominikaner und Karmeliter), in der Kollegiatkirche zu St. Stephan die Sakramente erteilen zu können. Chormeister Lienhard Orthaber (im Amt 1439-1444) war dagegen und versuchte, die Brüder ganz aus der Kirche zu verbannen. Da viele Bettelmönche Professoren der Wiener Universität waren, wurde der Streit zwischen der Universität und der Kollegiatkirche verhandelt. Das Dokument vom 8. Februar 1443 bekräftigt eine anscheinend endgültige Kompromisslösung, die dem Interesse der Bettelorden entgegenkam (» Abb. Erasmus Gunther in Wien).
Kopie eines notariellen Transsumpts (Urkundenbestätigung), 8. Februar 1443, betreffend die Erteilung der Sakramente durch Bettelmönche in der Kirche von St. Stephan, beglaubigt durch den königlichen Notar Nicolaus Gerlach: » A-Wn Cod. 5094, fol. 136v. © Österreichische Nationalbibliothek. / Copy of a notarial transsumpt (confirmation of a charter) of 8 February 1443, concerning the distribution of the Holy Sacraments by mendicant friars in the church of St Stephen, endorsed by the royal notary Nicolaus Gerlach: » A-Wn Cod. 5094, fol. 136v. © Österreichische Nationalbibliothek.
Abb. Erasmus Gunther in Wien / Fig. Erasmus Gunther at Vienna
Gunther wurde ca. 1444 Prior des Münchner Konvents und 1448 Provinzial der bayrisch-österreichischen Ordensprovinz in der Nachfolge von Georg von Schöntal. Nach erfolgreichem Wirken für die Klosterreform starb er 1461; sein Nachfolger als Provinzial wurde Johannes Ludovici, damals studiorum regens der Wiener Augustiner-Eremiten.[16]
[16] Die Biographie Gunthers wird berichtet in Anonym, Catalogus priorum provincialium Ord. Erem. S. Augustini per provinciam, München: Riedlin, 1729, 12.
[2] Vgl. Ristory 1985.
[3] Identifiziert durch Rumbold-Wright 2009, 100-103; Wright 2010. Tom R. Ward hatte die Identität der Kopistenhand B mit dem jüngsten Teil des St.-Emmeram-Codex zuerst bemerkt.
[4] Strohm 1966.
[5] Crane 1965, Göllner 1967.
[6] Ristory 1985 interpretiert die Niederschriften des Ave maris stella als Notationsübung; Klaus Aringer (» C. Die Überlieferung der Musik für Tasteninstrumente (1400–1520)) und Bernhold Schmid (»C. Organisten und Kopisten) vertiefen den notationstechnischen Aspekt.
[7] Klugseder-Rausch 2012, 117-119.
[8] Fallows 1987, 62-63, 239.
[9] Shields 2011, 135. O pia Maria, eine Kontrafakur nach Ju ich jag, die auch in » D-Mbs Cgm 716, fol. 104r-106r erhalten ist, sei nicht verwechselt mit dem geistlichen Lied O Maria pya des Mönchs, das im „Barant-Ton“ Peters von Sachs gedichtet ist (vgl. » Kap.Ton und Kontrafaktur: der Barantton).
[10] März 1999 (Lied Nr. W31); Strohm 2014, 17-19.
[11] Mündliche Information von Prof. Lorenz Welker.
[12] Zuletzt zu „Skak“, vgl. Fallows 1999, 345-346; Lewon 2018, 288.
[13] Eine selektive Inhaltsübersicht mit einigen Texttranskriptionen aus dem Musikteil bei Zapke [2014].
[14] Der Rückentitel des Bandes von 1752 lautet Acta Concilii Constantiensis.
[15] Berthold gründete 1449 das Augustiner-Eremitenkloster Uttenweiler bei Biberach.
[16] Die Biographie Gunthers wird berichtet in Anonym, Catalogus priorum provincialium Ord. Erem. S. Augustini per provinciam, München: Riedlin, 1729, 12.
[17] Zu Judocus von Windsheim als Besitzer des Lochamer-Liederbuchs vgl. Salmen-Petzsch 1972.
[18] * - * : unsichere Lesungen. fidus: über der Zeile nachgetragen, vielleicht *quisque* ersetzend.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhard Strohm: „A-Wn, Cod. 5094: Souvenirs aus einem Wiener „Organistenmilieu““, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/a-wn-cod-5094-souvenirs-aus-einem-wiener-organistenmilieu> (2018).