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Die Entstehung von Trient 90 nach Peter Wright

Reinhard Strohm

In Publikationen von 1996 und 2003 entwickelte Peter Wright eine Theorie zur Herkunft von Trient 90 (I-TRbc 90), die auch Trient 93 (I-TRcap 93*) einbezog, zumal sie auf zahlreichen Belegen für die in beiden Handschriften verwendeten Papiersorten (unterscheidbar durch ihre Wasserzeichen) beruhte. Diese Papiersorten fand Wright in Archivdokumenten und Bibliothekshandschriften in Süddeutschland und Tirol. Sein Projekt war nun, von den regionalen Fundstellen der Papiere her zu bestimmen, wo Wisers Anteil an den Musikhandschriften geschrieben worden sei. [11]

Von den acht Papiersorten, die Wiser in Trient 90 beschriftet hat, waren sechs (Wasserzeichen „Ochsenkopf II“, „III“, „IV“ und „V“, „Flusskrebs“, „Turm“) überwiegend oder fast ausschließlich in bayerischen Archiven nachweisbar.[12] Diese Papiere (mit Ausnahme von „Ochsenkopf V“) konnte Wright nicht einmal in Trient selbst auffinden; allerdings gab es für alle von ihnen auch Fundorte in (Nord- und Süd-)Tirol. Das Papier „Flusskrebs“ (crayfish) ist in den Trienter Codices nur in Form eines halben Einzelblattes (Tr 90, fol. 194b) vorhanden.[13] Dieses Fragment könnte leicht durch einen Reisenden zufällig nach Trient gelangt sein. Zwei am Ende von Trient 90 verwendete Papiere („Ochsenkopf VI“, „Halbmonde“) waren in Trienter und Tiroler Archiven wesentlich häufiger als in Bayern. Auch für die Papiere von Tr 93-1 („Kreuz“, „Ochsenkopf I“, „Dreiberg mit Kreuz“) überwogen Tiroler Fundstellen, was angesichts des im Vergleich mit München geringeren Archivvolumens bedeutsam ist. Das Papier „Ochsenkopf I“, mit dem die Schreiber von Tr 93-1 insgesamt 60 Blätter bestritten (» Abb. Wasserzeichen „Ochsenkopf I“), war in sieben verschiedenen Dokumenten im Tiroler Landesarchiv Innsbruck zu finden, jedoch nur in einem einzigen bayerischen Dokument.

 

Abb. Wasserzeichen "Ochsenkopf I" / Fig. Watermark "Bull's head I"

Abb. Wasserzeichen "Ochsenkopf I"

Nach Wright 2003, S. 264. Mit Genehmigung des Autors und Verlages. a: Trient 93, fol. 43r (Version A1), b: Trient 93, fol. 177r (Version A2), c: Tiroler Landesarchiv Innsbruck, U. I3719 verso (Version A2), datiert 14. Dezember 1450. / From Wright 2003, p. 264.  With permission of the author and publisher. a: Trent 93, fol. 43r (version A1), b: Trient 93, fol. 177r (version A2), c: Tiroler Landesarchiv Innsbruck, U. I3719 verso (version A2), dated 14 December 1450

 

Wright folgerte aus diesen Informationen, dass Johannes Wiser die Kopierarbeit in seiner Heimatstadt München begonnen habe, da die von ihm verwendeten Papiersorten dort besonders intensiv zirkulierten.[14] Er sei zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juli 1455 von München nach Trient berufen worden, da er an diesem Tag erstmalig als succentor „in der Stadt Trient“ erwähnt wird („succentor scolarum in dicta civitate“).[15]

Von dieser Rekonstruktion der Ereignisse ist auch die Messensammlung Tr 93-1 betroffen, die sich an denselben Orten befunden haben müsste wie Wiser selbst, nämlich zuerst in München und dann in Trient.[16] Wrights Hypothese führt unvermeidbar zu dem Schluss, dass Johannes Wiser und die Handschriften Trient 93 und Trient 90 (in verschiedenen Stadien der Entstehung) alle von München nach Trient reisten. Es ist unsicher, wann das gewesen sein könnte. In Wirklichkeit wissen wir nicht einmal, ob Wiser Trient von München aus oder von anderswoher erreicht hat.

[11] Wright 1996 (untersucht auch die späteren von Wiser betreuten Handschriften); Wright 2003.

[12] Wright 2003, 293-294, table 6, “Sources by region”.

[13] Wright 2003, 269.

[14] Vgl. Wright 2003, 292, 294, 308-309 und öfter.

[15] Gozzi 1992, Bd. 1, 9.

[16] “…the place where Trent 90 was begun would also need to be considered as the place where this activity on Trent 93-1 was being conducted“ (Wright 2003, 300); “Trent 90 and at least part of Trent 93 may be Bavarian in origin“ (Wright 2003, 309).