Die Ausgangslage der Kapelle Ferdinands I.
Die Dekade nach dem Tod Kaiser Maximilians I. 1519 war eine Phase bedeutender Weichenstellungen in der habsburgischen Geschichte. 1521/22 vereinbarten Maximilians Erben, seine Enkel Karl V. und Ferdinand I., eine Herrschaftsteilung, die zur Spaltung der Dynastie in eine spanische und österreichische Linie führte: Karl behielt Spanien und Burgund, seinem jüngeren Bruder Ferdinand fielen die österreichischen „Erblande“ zu, also die zentraleuropäischen Territorien der Habsburger. Fünf Jahre später, 1526/27, setzte mit der Wahl bzw. Krönung Ferdinands zum König von Ungarn und von Böhmen die jahrhundertelange habsburgische Herrschaft in diesen Ländern ein.
Schließlich fiel in das Jahr 1527 noch ein weiterer Akt von nachhaltiger Wirkung: In einer ausführlichen Hofordnung Ferdinands I. wurde ein System von zentralen Regierungsbehörden und eine Struktur des Hofstaats vorgesehen, „die sich in ihren Grundzügen bis zum Ende der Monarchie perpetuieren sollte“.[1]
Diese Hofordnung, zu der auch ein Hofstaatsverzeichnis, also eine Personalliste, überliefert ist, genoss in der Forschung lange Zeit einen besonderen Ruf. Da sie als die erste umfassendere Regelung für den Hof der österreichischen Habsburger galt, wurde in ihr geradezu eine Art Gründungsurkunde für das neuzeitliche österreichische Behörden- und Hofwesen erblickt. In der Geschichtswissenschaft ist diese Einschätzung mittlerweile einer differenzierten Betrachtung gewichen, die in den Regelungen von 1527 nicht so sehr einen Neuansatz, sondern den „Fluchtpunkt einer logischen Entwicklung“ erblickt.[2]
[1] Wührer/Scheutz 2011, 48.
[2] Rill 2003, 34; vgl. zusammenfassend Noflatscher 2007, 420–427; Wührer/Scheutz 2011, 39–62; hier, 345–363, auch eine moderne Edition der Hofordnung von 1527. Ein Digitalisat der Hofordnung 1527 ist verfügbar unter: https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4016011, ein Digitalisat des Hofstaatsverzeichnisses 1527 unter: http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4016012.
[1] Wührer/Scheutz 2011, 48.
[2] Rill 2003, 34; vgl. zusammenfassend Noflatscher 2007, 420–427; Wührer/Scheutz 2011, 39–62; hier, 345–363, auch eine moderne Edition der Hofordnung von 1527. Ein Digitalisat der Hofordnung 1527 ist verfügbar unter: https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4016011, ein Digitalisat des Hofstaatsverzeichnisses 1527 unter: http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4016012.
[3] Vgl. Hilscher 2000, 57–59; Seifert 2005, 41–42.
[4] Zur Trennung von Kapelle und Trompetern bzw. Instrumentalisten, die unter Ferdinand I. formal-organisatorisch beibehalten, faktisch aber bis zu einem gewissen Grad aufgeweicht wurde, vgl. Grassl 2012, 40–41.
[5] Hirzel 1909, 154–155; Wessely 1958, 391–392.
[6] Beginnend mit Wolfsgruber 1905, 50–51; Mitis 1928, 157.
[7] Wessely 1958, 74–75; vgl. zuvor schon Hirzel 1909.
[8] Vgl. Grassl 2012.
[9] Wessely 1958, 240–241 und 256–257; für die Belege in den niederösterreichischen Gedenkbüchern siehe auch Wessely 1956, 104–105, für jene in den Rechnungsbüchern von Salamanca siehe bereits Mitis 1928, 161, und zuletzt Rill 2003, 49. Zu ergänzen sind Belege in den Raitbüchern der oberösterreichischen Kammer in Innsbruck, aus denen hervorgeht, dass der Pauker Sigmund Neuner 1522 mit neuem Gewand versorgt wurde, um an „den hof zuziehen“ (A-Ila Raitbücher Bd. 71 [1522], fol. 345v), und dass Christoph und Jörg Mayr 1525 die Materialkosten für die Herstellung von Trompetenfahnen vergütet wurden (A-Ila Raitbücher Bd. 74 [1525], fol. 480v).
[10] Wessely 1958, 240, und Rill 2003, 49, lesen „Predor“. Ein Christian Rieder ist seit 1509 als Trompeter Maximilians I. belegt; siehe Senn 1954, 22
[11] Koczirz 1930/31, 532; Wessely 1956, 104–105, 256–257.
[12] Wessely 1958, 241.
[13] Koczirz 1930/31, 532–533; Ferer 2012, 33 46, 65, 69, 78 und 89.
[14] Siehe die Verzeichnisse bei Wessely 1958, S. 394–434.
[15] Ferer 2012, 109 und 117.
[16] Grassl 2011, 126–128; Reimer 1991, 69–77.
[17] Stälin 1860, 385.
[18] D-Asa Baumeisterbücher Bd. 117 (1523), fol. 36r: „Samstag post Letare [20. März] […] Item x guldin x Erzherzog Verdinandus trumetter vnd bawgker“.
[19] Federhofer 1952, S. 42–43; vgl. auch Wessely 1973, 662–669.
[20] Wessely 1973, 667.
[21] D-Asa Baumeisterbücher Bd. 117 (1523), fol. 36r.
[22] D-Asa Baumeisterbücher Bd. 121 (1527), fol. 36r: „Samstag vor Jacobj [20. Juli] / Item ij fl. friedrich lingky und jörg wilden der kunigin zu hungerien zinkenplaser“.
[24] Zu Schubingers Biographie und Bedeutung vgl. » G. Augustin Schubinger, sowie Polk 1989a; Polk 1989b.
[25] Siehe Beispiele bei Grassl 2012, 27–28.
[26] Vgl. dazu Thomas 1993, 48.
[27] Vgl. dazu Welker 1990, insb. 252–257.
[28] Rill 2003, 20; Kohler 2003, 92, 96.
[29] Grassl 2019, 221–230. Vgl. auch Welker 1990, 256–257; Bouckaert/Schreurs 2005.
[31] Vgl. zur Biographie von Jean de Revelles: Göhler 1932, 498-507; Koretz 1970, 42–48; Wessely 1958, 108–110.
[32] Wie aus dem Reisebericht von Laurent Vital, vormals Premier Chambellain von Philipp dem Schönen, hervorgeht. Siehe Gachard 1881, 299.
[33] Siehe die Aufstellungen bei Ferer 2012, 30, 35, 53, 63; Vgl. zuvor schon Duggan 1976, 87.
[34] Zur frühen Karriere Arnolds siehe zuletzt Kirkman 2020, 92–93, 95.
[35] Wessely 1958, 53, 276.
[36] Ferer 2012, 67–72.
[37] Kohler 2003, 119–120.
[38] Senn 1954, 15–16, 45–46, 48, 50–57; vgl. auch Strohm 1993, 519–522; Strohm 2001, 32–34. Zum Wechsel von Musikern zwischen kirchlichen und höfischen Diensten in Innsbruck vgl. auch » I. Music and Ceremony in Maximilian’s Innsbruck; » K. Kap. Institutions, scribes and patrons.
[39] HHStA, Reichskanzlei, Reichstagsakten, 2. Konvolut A I 5, fol. 49r–58v; eine ausführliche Analyse dieser (bislang nicht edierten) Quelle und eine darauf beruhende Rekonstruktion von Ferdinands damaligem Hofstaat liefert Rill 2003, 50–103; vgl. zuvor schon Thomas 1993, 44–45; für eine musikhistorische Auswertung siehe Grassl 2012, 31–35, und darauf fußend Pfohl 2020, 136–139.
[40] Noflatscher 2007, 414.
[42] Noflatscher 2007, 420.
[44] Vgl. an neueren institutionsgeschichtlichen Darstellungen zu den Kapellen Karls des Kühnen, Philipps des Schönen und Karls V.: Fallows 1983, 110–117, 145–159; Meconi 2003, 53–92; Ferer 2012, insb. 126–159; Rudolf 1977, 80–153; Robledo Estaire 1987; Nelson 2000, 114–123; Meconi 2021.
[45] Siehe die Nachweise bei Schweiger 1931/32, 371 und 373–374; Wessely 1956, 122; Reimer 1991, 33; Ehrmann-Herfort 2003, 15–16.
[46] Ferer 2012, 86, 98 und 106; Meconi 2020, 85.
[48] Siehe Weißkunig, Kap. „Wie der jung weyß kunig die musica und saytenspiel lernet erkennen“, hrsg. von Schultz 1888, 80; Triumphzug, Darstellung der „Musica Canterey“ (» Abb. Triumphzug Kantorei, in: I. Instrumentalkünstler am Hof Maximilians I.); Schweiger 1931/32, 366, 371–372; vgl. auch Reimer 1991, 27; Reimer 1999.
[49] Fallows 1983, 112–126; Ferer 2012, 77, 83, 92–93, 98, 248 und 250; Meconi 2020, 85. Zu diesen dessus-Sängern zählte im Übrigen Pierre de la Rue; siehe Meconi 2003, 64. Seit wann genau in die burgundischen Kapellen auch Knaben aufgenommen wurden, ist unbekannt; erstmals belegt sind „petitz enffans“ in einem Personalverzeichnis der Kapelle 1509; siehe Ferer 2020, 45. Allerdings ist in den Itinerarien des Hofes belegt, dass zu den Sängern der Kapelle je nach Gelegenheit Knaben hinzutraten, die anderen Institutionen, etwa solchen des jeweiligen Aufenthaltsortes der Fürsten, zugehörten; vgl. » H. Jugendliche Musiker bei Hofe.
[50] Zu diesem Themenkomplex insgesamt: Thomas 1993, 38–48; Rill 2003, 54–56, 94–99; Kohler 2003, 130–142; Winkelbauer 2003, I, 180–183.
[51] Noflatscher 2007, 412–413; vgl. auch die Übersicht bei Castrillo-Benito 1979, 450–452.
[52] Noflatscher 2007, 413.
[53] Wolfsgruber 1905; 50, 53–56 und 605; Wessely 1958, 103.
[54] Zu Langkusch vgl. Wessely 1958, 120–122; Koczirz 1930/31, 531 und 535.
[55] Zu diesen Kaplänen: Göhler 1932, 509–512, 524–525; Wessely 1958, 110–113, 119–120, 391, 393; Laferl 1997, 221.
[56] Siehe das Verzeichnis der Kapellmitglieder 1527 bei Hirzel 1909, 154–155; Wessely 1958, 391–392. Digitalisat der Originalquelle: https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4016011.
[57] Wessely 1958, 75.
[58] Senn 1954, 28; Schweiger 1931/32, 371.
[59] Wessely 1958, 75.
[60] Siehe zum Folgenden Grassl 2012, 36–39.
[61] Vgl. auch Bobeth 2009, 190–192.
Empfohlene Zitierweise:
Markus Grassl: “Kontinuität und Wandel. Die Kapelle Ferdinands I. in den 1520er Jahren” in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/kontinuitaet-und-wandel-die-kapelle-ferdinands-i-den-1520er-jahren> (2022).