Der Theaterliebhaber Vigil Raber
Der im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Sterzing geborene Bäckerssohn erlernte das Malerhandwerk und verließ vor 1510 seine Geburtsstadt. Seine Malerarbeiten sowie seine Tätigkeiten im Rahmen der Spielaufführungen bezeugen dann bis 1522 nahezu lückenlos seine Anwesenheit in Bozen. In den Jahren zwischen 1523 und 1533 lässt sich sein Lebensweg nicht sicher nachvollziehen, doch ab 1533 bis zu seinem Tod 1552 ist er schließlich wieder in Sterzing belegt, wo er 1544 das Bürgerrecht erhielt. Dort belebte er auch wieder die städtische Spieltradition, die nach 1514 zum Erliegen gekommen war.[5] Es ist davon auszugehen, dass Raber aufgrund seines Einsatzes bei den Spielen zu nicht unbeträchtlichem Ansehen gelangte, da die aufwändigen Inszenierungen sowohl für die Kirche als auch für die Städte mit Prestige verbunden waren.[6]
Es scheint Vigil Raber ein persönliches Interesse an der Tradierung und Inszenierung geistlicher Spiele angetrieben zu haben,[7] denn neben seinem Engagement als Spielleiter und Darsteller sammelte er Zeit seines Lebens Spieltexte und weitere aufführungsbezogene Materialien. Dass bereits seine Zeitgenossen den Wert der Sammlung für den Spielbetrieb erkannten, zeigt der Erwerb von Rabers Nachlass durch die Stadt Sterzing: „Mer am 16. tag Novembris aus bevelch meiner herrn ains ersamen raths der Virgili Raberin wittiben alle und yede geschribne spil unnd spilß risstungen, so ir haußwirth seliger nach sein verlassen hat, abkaufft“,[8] weist eine Bürgermeisteramtsrechnung von 1553 den Kauf aus. Doch dieses „unerschöpflich[e] Textreservoi[r]“[9] wurde nicht genutzt. Vielmehr scheint mit Rabers Tod der Endpunkt der Sterzinger Aufführungstradition markiert zu sein, denn in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind nur noch vereinzelt Spielnachrichten bezeugt.[10]
[5] Zur Biographie Rabers vgl. Fischnaler 2002; Wolf 1989; Ott 2003.
[6] Darauf deutet auch hin, dass Raber vermutlich ein von der Kirche angeordnetes Begräbnis zuteilwurde. Vgl. Fischnaler 2002, 43f.
[7] Vgl. zu dieser Einschätzung auch Neumann 1986, 523, der hervorhebt, dass Raber als Privatmann eine so umfangreiche Sammlung anlegte.
[8] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 2641.
[9] Neumann 1986, 527.
[10] Vgl. Neumann 1986, 540.
[1] Zur literarischen Gattung des „Geistlichen Spiels“ vgl. einführend Schulze 2009.
[2] Das älteste Zeugnis stammt aus Hall: Dokumentiert ist eine Passionsspielaufführung im Jahr 1430. Vgl. Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 1866–1870.
[3] Der erste sichere Textzeuge für ein geistliches Spiel aus Sterzing datiert aus dem Jahr 1486; in Bozen sind Belege ab 1472 vorzufinden, wobei dort ab 1514 die Spiele des Osterfestkreises von den Fronleichnamsspielen in den Hintergrund gedrängt werden. Vgl. Neumann 1986, 528, 536f. sowie zu den ersten Belegen Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 73f., Nr. 2523.
[4] Zu diesen Quellen zählen die Rechnungsbücher der Bozner Kirchpröpste, der Sterzinger Bürgermeister und Kirchpröpste sowie eigene Aufzeichnungen Rabers. Vgl. Wolf 1989, 943; aufgeführt sind die Quellen in Neumann 1987, Bd. 1.
[5] Zur Biographie Rabers vgl. Fischnaler 2002; Wolf 1989; Ott 2003.
[6] Darauf deutet auch hin, dass Raber vermutlich ein von der Kirche angeordnetes Begräbnis zuteilwurde. Vgl. Fischnaler 2002, 43f.
[7] Vgl. zu dieser Einschätzung auch Neumann 1986, 523, der hervorhebt, dass Raber als Privatmann eine so umfangreiche Sammlung anlegte.
[8] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 2641.
[9] Neumann 1986, 527.
[10] Vgl. Neumann 1986, 540.
[11] Weitere Spielmaterialien wie Kostüme und Requisiten existieren nicht mehr. Auch waren die Handschriften des Archivs bedingt durch die politischen Umstände nach dem Ersten Weltkrieg nicht immer einsehbar, was die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Sterzinger Spielarchiv erschwerte. Vgl. Neumann 1986, 527f.; Neumann 1979, 54f. (mit Anmerkungen); Dörrer 1951/52; Dörrer 1965. Im Nachlass Rabers fanden sich außerdem weltliche Spiele, vgl. den Überblick bei Wolf 1989.
[12] Neumann 1986, 523.
[13] Zur Biographie Debs‘ vgl. Wolf 1980; Dörrer 1957; Senn 1949.
[15] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 348.
[16] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 2540.
[17] Vgl. Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 545.
[18] Zielske 1994, 288.
[19] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 545.
[20] Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 545; dort auch zur Spielkonzeption sowie zur Spielinitiation.
[21] Neumann 1986, 531.
[22] Zielske 1994, 292.
[23] Vgl. die Darstellerlisten bei Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 541 und 543 sowie die von Wackernell veranschlagte Rollenanzahl (Wackernell 1897, CCXLIV). Ein Eindruck vom Bühnenaufbau ist durch den Bühnenplan zu gewinnen, der in der Handschrift des Palmsonntagsspiels enthalten ist (Hs. V). (»Abb. Rabers Bühnenplan) Zu dessen Interpretation vgl. Michael 1950; Michael 1963, 37–44, sowie Zielske 1994.
[24] Zu Rabers Tätigkeiten als Spielleiter vgl. Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 544–546/6, 553; zur Übernahme bedeutender Spielrollen durch Raber vgl. die Darstellerlisten in Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 543.
[25] Das „Bozner Passionsspiel von 1495“ gehört nicht zum Bestand des Sterzinger Spielarchivs. Es wird im Bozner Franziskanerkloster unter der Signatur I-51 aufbewahrt. Vgl. Bergmann 1986, 71–74. Zur inhaltlichen Einschätzung des Spiels vgl. Wolf 1978.
[26] Vgl. Neumann 1987, Bd. 1, Nr. 539 und 545 sowie Wackernell 1897, CCXXXVIIIf.
[27] Beide Handschriften befinden sich seit dem 19. Jahrhundert im Besitz der Familie von Braitenberg, Meran. Zu den Angaben vgl. Bergmann 1986, 249–253.
[28] Vgl. Wackernell 1897, CCXXXVIIIf. sowie Wolf 1978.
[29] Vgl. Neumann 1986, 525; Bergmann 1986, 299f.
[30] Wackernell 1897, CCXLIV.
[31] Neumann 1986, 522.
Empfohlene Zitierweise:
Sandra Theiß: “Die Tiroler Spieltradition. Das Sterzinger Spielarchiv”, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/die-tiroler-spieltradition-das-sterzinger-spielarchiv> (2016).