Juden als Akteure in Spielen
Spiele geistlichen Inhalts wurden nicht nur als religiös angesehen, sondern ausdrücklich als „Gottesdienst“ verstanden, wie es 1470 in Frankfurt am Main formuliert wurde.[5] Wenn Spiele biblische Themen, insbesondere aus dem Leben, Sterben und der Wiederauferstehung Jesu, zum Gegenstand hatten, war natürlich die Folge, dass biblische Juden auftraten (die immer von Christen gespielt wurden). Aber so, wie der göttliche Heilsplan in Liturgie und Spiel als überzeitlich geltend und wirksam dargestellt wurde, so verwandelte man die historischen Juden der Zeit Christi und der Evangelien in den Spielen (und oft auch in der Liturgie!) in sozusagen „überzeitliche“ Juden, sie wurden zur Verkörperung „des Juden“, der im Christentum seit den Zeiten der frühen Kirche als Gottesmörder, als der Feind Gottes und der Menschen kat exochen verstanden und dargestellt wurde (» J. Judenhass).[6]
Diese Juden, als Einzelne oder meist als Gruppe unter Führung des Cayphas oder anders benannter Führungsfiguren auftretend, sprachen die meisten ihrer Texte der Verständlichkeit wegen deutsch. Diese Texte sind aber durchweg solche, in denen die Juden in der Tradition des christlichen Antijudaismus als die altbekannten und immer bedrohlichen Antagonisten Jesu und seiner Jünger auftreten. Doch sie konnten auch sprachlich als „die Anderen“ gekennzeichnet werden. Das geschah etwa im Frankfurter Spiel,[7] in dem sie laut Regieanweisung mal „murmurant ebraice“ („hebräisch murmeln“, nach Vers 544 und 881), mal „murmurant ululantes“ („heulend murmeln“, nach Vers 1861).[8]
[5] Zur Problematik dieser Auffassung im Hinblick auf den Status der Juden in der Stadt vgl. Frey 1997.
[6] Die biblische Zentralstelle steht bei Paulus 1 Thess 2, 14–16. Vgl. Schreckenberg 1994; Schreckenberg 1997; Schreckenberg 1999; Heil 1998 und Heil 2006.
[8] Im Innsbrucker Osterspiel (siehe Meier 1962) heißt es „ululant“ (nach Vers 302), bezeichnenderweise nur von den „dæmones“ (Dämonen).
[1] Zur Problematik (und Notwendigkeit) dieser Unterscheidung vgl. Linke 2001.
[3] Beispielhaft ist das vorgeführt anhand des Redentiner Osterspiels in Freytag/Claußnitzer/Warda 2002, auch wenn hier auf die Rolle des Gesangs nicht besonders eingegangen wird.
[4] Vgl. Frey 2010. Edition des Frankfurter Passionsspiels in Janota 1996.
[5] Zur Problematik dieser Auffassung im Hinblick auf den Status der Juden in der Stadt vgl. Frey 1997.
[6] Die biblische Zentralstelle steht bei Paulus 1 Thess 2, 14–16. Vgl. Schreckenberg 1994; Schreckenberg 1997; Schreckenberg 1999; Heil 1998 und Heil 2006.
[8] Im Innsbrucker Osterspiel (siehe Meier 1962) heißt es „ululant“ (nach Vers 302), bezeichnenderweise nur von den „dæmones“ (Dämonen).
[9] Ausgaben: Kummer 1882; Suppan/Janota 1990.
[11] Es sind: Weihnachtsspiel, Dreikönigsspiel, Osterspiel, Magdalenenspiel, Wächterspiel, Marienklage.
[13] Weitere Beispiele: Vers 984–988, 1028 f., 1073–1076.
[15] Für das Spiel selbst siehe Wyss 1967, für einen Überblick Wyss 1985, zu den darin enthaltenen Judengesängen Evans 1943.
[16] Evans 1943, 73.
[17] Evans 1943, 70.
[18] Evans 1943, 6 f.
[19] Evans 1943, 74.
Empfohlene Zitierweise:
Winfried Frey: „Cayphas cantat cum synagoga: Singende Juden in geistlichen Spielen“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/cayphas-cantat-cum-synagoga-singende-juden-geistlichen-spielen> (2016).