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Mordanschlag und Hinrichtung

Reinhard Strohm

Die Briefe des Königs Ruprecht vom 26. April 1401 berichten in ihrem Hauptteil von einer schrecklichen Begebenheit, der eine noch schrecklichere folgen sollte. Es heißt hier nämlich, am 20. April sei der König in seiner Residenz in Sulzbach (Oberpfalz) auf einen Besucher aufmerksam gemacht worden, der sich als Johannes von Oberburg,[12] ehemaliger Freund (familiaris) und Sekretär des Leibarztes Hermann Poll ausgab. Dieser Johannes sei aus Italien angereist. Er habe, als er Verdacht erweckte und bei ihm Briefe und Gift entdeckt wurden, „ohne Folter gestanden“, dass Gian Galeazzo Visconti von Mailand ihn zu Magister Hermann geschickt habe, um ihm Gift zu überbringen, mit dem er den König und seine Kinder ermorden sollte. Magister Hermann selbst habe dann noch eindeutiger gestanden, dass er in diesen Auftrag eingeweiht war und tatsächlich den Plan verfolgte, gegen versprochene große Belohnungen von Gian Galeazzo den König umzubringen. Der Auftrag sei durch Piero da Tossignano, den Leibarzt Gian Galeazzos, vermittelt worden (der in der Tat mit Magister Hermann und seinem Freund Johannes aus Pavia her gut bekannt war). Der König sah sich nach intensiven Beratungen mit seinen Vertrauten gezwungen, Magister Hermann der Justiz auszuliefern, obwohl er, wie er schreibt, ihn gerne verschont hätte. So wurde Hermann zum Tod verurteilt und kurz darauf in Nürnberg auf grausame Weise hingerichtet.[13]

Diese bestürzenden Ereignisse, die von mehreren zeitgenössischen Quellen erwähnt werden,  passen genau mit damaligen politischen Vorgängen zusammen, besonders dem soeben ausgebrochenen Krieg zwischen dem Visconti von Mailand und seinen Gegnern in Padua, Florenz und der Pfalz sowie dem reichsinternen Streit um die Königswürde zwischen dem Luxemburger Wenzel und dem Wittelsbacher Ruprecht, wobei die Drohung auch gegen die Kinder des Königs auf dynastische Rivalität hinweist. Da Magister Hermann in Pavia nicht nur mit Pietro da Tossignano, sondern auch mit Gian Galeazzo selbst bekanntgeworden sein dürfte, war sogar der Verdacht möglich, seine gesamte Dienstzeit am pfälzischen Hof von 1398 bis 1401 habe nur der Vorbereitung des Anschlags gedient. Es musste gefragt werden, warum Hermann so unmittelbar nach Erwerb des Doktorgrades unter dem Viscontifürsten zur pfälzischen Gegenpartei übergelaufen war. Und jener Johannes von Oberburg, der Magister Hermann faktisch verriet, war entweder tatsächlich jener frühere Studienfreund Johannes von St. Pölten (nach den Wiener Universitätsdokumenten) oder ein anderer, der sich als solcher ausgab. Unverständlich bleibt, warum ein hochgelehrter Arzt mit regelmäßigem Zutritt zur Privatsphäre des Königs sich Gift aus Italien hätte senden lassen müssen.

[12] Gemeint ist das heutige Gornji Grad in Krain/Slowenien, damals den Grafen von Cilli gehörig.

[13] Vgl. die Quellenberichte bei Howell 1990, 10, und Strohm 1991, 59–61.