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Fürstlicher Leibarzt und Privatmusiker

Reinhard Strohm

Poll hat seine Fähigkeiten erfolgreich zur Karrierebildung eingesetzt. Er wurde noch 1398 Leibarzt des Kurfürsten Ruprecht III. von der Pfalz, der in Heidelberg und Amberg (Oberpfalz) residierte. Als Ruprecht im Jahre 1400 von den Kurfürsten zum deutschen König gewählt wurde – den regierenden König, Wenzel von Luxemburg/Böhmen, setzten sie einfach ab – standen sich in der europäischen Politik zwei Lager gegenüber, denn der Luxemburger gab seine Herrschaftsansprüche nicht auf. Das päpstliche Schisma zwischen Rom und Avignon wurde durch ein weltliches Doppelkönigtum verschlimmert: Wenzel war auf der Seite von Avignon und Gian Galeazzo Visconti, der Wenzel schon den Herzogstitel verdankte und es noch zum König Italiens bringen wollte; Ruprecht von der Pfalz unterstützte den römischen Papst und hatte als italienische Verbündete die Florentiner und den signore von Padua, Francesco Carrara il Novello.[9] Es gibt Anzeichen dafür, dass Hermann Poll dem Paduaner Hof von Francesco Carrara (und vielleicht Lambertazzi) die Fürsprache bei Kurfürst Ruprecht zu verdanken hatte.

Als dessen Leibarzt war er sehr beliebt. König Ruprecht selbst schrieb am 26. April 1401 in zwei gleichlautenden Briefen an seine Verbündeten in Italien, er habe – Gott sei sein Zeuge – den „Physicus“ Magister Hermann sehr geschätzt, unter den engsten Freunden in seinen Privatvergnügungen bevorzugt und ihn aus besonderem Vertrauen zum Leibarzt nicht nur seiner selbst, sondern auch seiner Gemahlin und Kinder eingesetzt, vor allen anderen Ärzten.[10] Hier ist wohl auch gemeint, dass Hermann die „Privatvergnügungen“ des Königs musikalisch bereicherte, so wie er dessen Gesundheit medizinisch betreute. Denn eine andere zeitgenössische Quelle beschreibt ihn als „geschickter Arzt, gutaussehend, freundlich, damals 31-jährig, kundiger Magister der freien Künste, sprachlich gebildet, Doktor der Medizin, ein ausgezeichneter Musiker auf der Orgel und mehreren anderen Instrumenten“.[11] Die besondere Nähe zum Privatleben des Fürsten, die Hermann nicht nur als Arzt, sondern offenbar auch als Musiker genoss, sollte sich als fatal erweisen.

[9] Strohm 1991, 57f., mit Erwähnung assoziierter Musiker und ihrer z. T. politisch relevanten Kompositionen.

[10] Lateinischer Originaltext bei Strohm 1991, 65, Anm. 33.

[11] „Physicus virtuosus, formosus, bene dispositus, habens tunc 31 annos in etate et magister artium valens, bene litteratus et doctor in medicinis, optimus musicus in organis et in aliis quibusdam instrumentis musicalibus“. Nach Grob, Jacob: Bruchstücke der Luxemburger Kaiserchronik des deutschen Hauses in Luxemburg, in: Publications de la Sectio Historique de l’Institut Grand-Ducal de Luxembourg 52 (1903), 390–406; Hinweis auf diese Quelle in Pietzsch 1966, 51f.