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Kompositionen von Krombsdorfer?

Reinhard Strohm

Im Codex des Nicolaus Leopold (D-Mbs Mus. ms. 3154) ist noch Musik aus Krombsdorfers Organistenzeit vorhanden. Es stellt sich die Frage, ob die eine oder andere anonyme Komposition von ihm selbst stammen könnte, oder, ob sich Musik von ihm anderswo finden lässt. Walter Senn gibt eine Beobachtung Hans Joachim Mosers weiter, der zufolge der Hofhaimer-Schüler Hans Kotter um 1513 die Intavolierung eines Liedes Betrübt ist mir mein herz notierte (in » CH-Bu F IX 22), die er einem „Nicolaus […] musicae jam dudum erigescentis primus instaurator“ (Nicolaus […], erster Begründer der vor kurzem wiedererweckten Musik) zuschrieb.[23] Das scheint schon deshalb gut zu Krombsdorfer zu passen, weil in Kotters Tabulaturband außer Werken seines Lehrers Hofhaimer auch solche von Isaac und Martini auftreten. Nicht nur Paul Hofhaimer, der nach den Innsbrucker Hofordnungen sogar mit seinem Vorgänger Krombsdorfer am gleichen Tisch speiste,[24] sondern auch Johannes Martini und Henricus Isaac sind wohl persönlich mit dem „Begründer“ der Innsbrucker Hofmusik zusammengetroffen.

Um 1466 notierte der Trienter Schulmeister Johannes Wiser im Codex Trient 89 (» I-TRbc 89) eine komplexe vierstimmige Vertonung eines späten Liedes von Oswald von Wolkenstein, Heya, heya, nu wie si grollen (» Hörbsp. ♫ Heya, heya; » Notenbsp. Heya, heya). Spätere Aufzeichnungen der Komposition finden sich in den Linzer Fragmenten (» A-LIb Hs. 529) und, bemerkenswerterweise, im Florentiner Chansonnier » I-Fn B.R. 229. Während also die Liedvorlage nach Tirol weist (Oswalds Lied situiert sich sogar in Brixen), deutet die Verbreitung der Komposition auf die habsburgische Sphäre (zur maximilianeischen Herkunft der Linzer Fragmente vgl. » K. A-LIb Hs. 529) und auf einen Autor, der vielleicht mit Martini und Isaac verknüpft war, deren Kompositionen in » I-Fn B.R. 229 hervorgehoben sind; ich habe Krombsdorfer vorgeschlagen.[25]

[22] Zu Martinis anhaltenden Kontakten mit Tirol vgl. » F. Musiker aus anderen Ländern.

[23] Senn 1954, 12, nach Moser 1929, 14. Der Tabulaturband (Bd. 1 der „Amerbach“-Sammlung) ist ediert in Marx, Hans Joachim (Hrsg.), Tabulaturen des XVI. Jahrhunderts. Teil 1: Die Tabulaturen aus dem Besitz des Basler Humanisten Bonifacius Amerbach¸ Basel 1967 (Schweizerische Musikdenkmäler 6), Nr. 7 (10 und 121), wo als Komponist unnötigerweise der Niederländer Nicolas Craen vorgeschlagen wird.

[24] TLA, Hs. 208 (Hofordnung 1478).

[25] Vgl. Strohm 1986/1987.