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Schau-Spiele

Ute Monika Schwob

Dem Kirchenjahr folgend, bezeugt der Brixner Dommesner Veit Feichter noch weitere im Dom und im Zusammenhang mit dem Gottesdienst vollzogene Bräuche, die aber weniger als Ausformung der Liturgie zu verstehen sind, sondern eher als bewegte Schaustücke zur Ins-Bild-Setzung der am jeweiligen Festtag verkündeten Glaubenswahrheit. Hier agierten nicht lebende Personen im Rollenspiel, sondern es wurden Figuren von einem Loch im Gewölbe herabgelassen und wieder hinaufgezogen. Gemeint ist das Aufziehen von Engeln und dem „Salvator“ am Himmelfahrtstag[28] sowie von Engeln und dem Heiligen Geist (wohl in Gestalt einer Taube) zu Pfingsten[29], wobei man die Engelsfiguren „tanzen“ ließ. Der noch weiter von der liturgischen Handlung abweichende Brauch, am „Auffahrtstag“ Oblaten, Feuer und Wasser aus dem Gewölbe hinunterzuwerfen, wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts abgeschafft, weil er zu einer Messerstecherei und zeitweiligen Entweihung des Doms geführt hatte.[30] − Das ehemals in Brixen zur Adventszeit übliche „Schülerbischofsfest“ mit seiner parodistischen Umkehrung hierarchischer Strukturen sowie der Karikierung liturgischer Texte und Rituale hatte bereits 1442 Bischof Georg Stubier wegen eklatanter Auswüchse abgeschafft. Die dafür aufgewendeten Mittel sollten fortan acht Chorschüler erhalten, die unter anderem bei der 40stündigen Grabwache singen mussten.[31]

Die Kirche hat sich im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit durchaus bemüht, die Distanz zwischen Klerus und Laien wenigstens an hohen Festtagen für kurze Zeit abzuschwächen. An eine Aufhebung der hergebrachten Schranken war nicht gedacht. Dies geht aus den Seitenhieben des Dommesners, der sich als Kirchendiener verstand, gegenüber dem „volckh“ und besonders den Schülern deutlich hervor. Allerdings war die Haltung der Kirche und ihrer Vertreter nur die eine Seite der Medaille: Die andere war das religiöse Handeln der Laien selbst. (» J. Formen der Laienfrömmigkeit)

[28] Vgl. Hofmeister-Winter 2001, 324–325, fol. 119v–120r.

[29] Vgl. Hofmeister-Winter 2001, 334f., fol 125rv.

[30] Vgl. Hofmeister-Winter 2001, 326, fol.120v–121r.

[31] Vgl. Schwob 1989, 128–142.