Komponiertes Herrscherlob: Isaacs Motette Optime divino … pastor
Eine nicht weniger repräsentative Funktion als in den Gottesdiensten nahm die Hofkapelle natürlich auch in diplomatischen Kontexten und offiziellen Zeremonien anlässlich von Hochzeiten, Todesfällen oder auf Reichstagen ein. In einem solchen Zusammenhang steht etwa Isaacs zweiteilige Motette Optime divino … pastor (» Hörbsp. ♫ Optime pastor). Die Komposition, deren Entstehung in jüngerer Zeit für den Empfang des päpstlichen Nuntius Lorenzo Campeggi in Innsbruck (1514) vermutet wird,[7] ist – einzigartig im Motettenschaffen Isaacs – mit zwei cantus firmus-Melodien (Da pacem, Domine; Sacerdos et pontifex) konzipiert, die in beiden Abschnitten gleichzeitig erklingen. Zusammen mit einem in hochstehendem Humanistenlatein verfassten Text sind die einstimmigen Choralmelodien Ausdrucksebenen für die enge Verflechtung der Sphären der weltlichen (Kaiser) und der geistlichen Macht (Papst), die in der gemeinsamen Bitte um Frieden (gemeint ist die Türkenabwehr) geeint sind. Beide Protagonisten werden im Text nur indirekt benannt (z. B. „medicus“ oder „leo“ = Medicipapst Leo X.; „aquila“ = Kaiser Maximilian I.). Dies erhöhte die Attraktivität des Stücks im Hinblick auf eine Wiederverwendbarkeit, so wie sie als Eröffnungsmotette im » Liber selectarum cantionum von 1520 (» Abb. Liber selectarum cantionum) realisiert ist. Darüber hinaus zeigt sich in einer solch impliziten Huldigung, die zwar Ämter, nicht aber individuelle Personen ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt, auch eine gegenüber dem 15. Jahrhundert veränderte Haltung hinsichtlich des Herrscherlobs.[8] Indem Isaac zwei cantus firmi verwendet und den mehrstimmigen Satz aus einer kleinteiligen Zweistimmigkeit entwickelt, stellt er sich wohl bewusst in die lange musikalische Tradition politisch motivierter Panegyrik und verleiht der Musik eine archaisch anmutende Klangwirkung. Andererseits kontrastiert diese Art von Klang mit den vollstimmig-pompösen Schlussabschnitten der neueren Zeit. So gelingt dem Komponisten, der bekanntlich sowohl für die Habsburger als auch für die Medici tätig war, in dieser Motette eine Symbiose zwischen tradiertem Herrscherlob und kompositionstechnischer Aktualität.
[8] Zum Herrscherlob im 15. Jahrhundert siehe » D. Albrecht II. und Friedrich III.
[1] Eine Auseinandersetzung mit Isaacs Kapellpersonal findet sich neuerdings in Gasch 2015, siehe hier besonders 363–370.
[3] Zur Idee der Monumentalisierung des Kirchenjahres durch mehrstimmige Proprienvertonungen siehe Strohm 2011.
[4] Zu Isaacs Messen siehe generell Staehelin 1977.
[5] Für ein Digitalisat von Isaacs Missa paschalis in » D-Ju Ms. 36, fol. 141v–155r, siehe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:urmel-1bb48d27-d632-4bb7-b381-36e0bae379018-00004515-2851.
[8] Zum Herrscherlob im 15. Jahrhundert siehe » D. Albrecht II. und Friedrich III.
[9] Für eine Rekonstruktion und Übersetzung des gesamten Motettentextes siehe Panagl 2004, 54. Für ein Digitalisat der Motette in » CH-Bu Ms. F IX 55, fol. 4v–7r: http://www.e-manuscripta.ch/bau/content/pageview/311300.
[10] Vgl. zum allgemeinen Hintergrund Haggh 2007, zur besonderen Gegebenheit in Konstanz Körndle 2007. Der Nachweis der Instrumentalbegleitung findet sich in einer Tegernseer Chronik (D-Mbs Clm 1586, fol. 429v–430r).
[11] Für ein Digitalisat der Motette Virgo prudentissima in » CH-SGs Cod. Sang. 464 siehe: http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0464/5v/0.
[12] Die ältere Meinung, dass beide Werke für den 15. August 1507 bestimmt gewesen seien (Dunning 1970, 41) ist fragwürdig, da der Reichstag zu dieser Zeit bereits verabschiedet war. Siehe auch Rothenberg 2011.
[13] Körndle 2007, 96–101.
[14] Obwohl das Bild nicht von Maximilian, sondern von der deutschen Rosenkranzbruderschaft an der Kirche San Bartolomeo in Venedig in Auftrag gegeben worden war, zeigt es in seiner Bildkomposition zahlreiche Elemente von Maximilians Idealisierungsverständnis. Siehe dazu Rothenberg 2011, 78 ff.
[15] Siehe Wiesflecker 1971–1986, Bd. 4, 1–27.
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Gasch: “Heinrich Isaac im Dienst von Maximilians kirchlich-staatlichen Zeremonien”, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/heinrich-isaac-im-dienst-von-maximilians-kirchlich-staatlichen-zeremonien> (2016).