Die Tiroler Spieltradition. Musik und Tanz in geistlichen und weltlichen Spielen
Die Tiroler Spieltradition
Um 1500 bringt die wirtschaftliche Blüte der Brennerstädte eine bürgerliche Spielkultur hervor, die vor allem mit der Person des Malers und Spielleiters Vigil Raber (gest. 1552) als Schreiber zahlreicher Spieltexte greifbar wird. Die Spieltradition umfasst dabei ungewöhnlicherweise geistliche und weltliche Spiele gleichermaßen, die im „Sterzinger Spielarchiv“ überliefert sind (» H. Sterzinger Spielarchiv). Zu den geistlichen Spielen in dieser Sammlung gehören z. B. die Sterzinger Passionsspiele von 1486 und 1496/1503 und die Bozener Passionsspiele von 1495 und 1514. Hier sind bisweilen in den Manuskripten mit roter Tinte die Namen einzelner Schauspieler neben der Rollenbezeichnung eingetragen; auch eine Benachrichtigung für eine Kostümprobe im Jahre 1514 in Sterzing ist bekannt. Man spielte die geistlichen Spiele in der Kirche oder auf einem freien Platz, den die Zuschauer von allen Seiten umstanden oder auf den sie von den umliegenden Häusern blickten,[1] und zwar auf einer Simultanbühne. Diese Bühnenform bedeutet, dass alle Schauplätze des Spiels simultan auf der Bühne durch sogenannte mansionen oder stant einsehbar sind. Bei diesen durch Dekoration verdeutlichten mansionen hat man sich durch vier Pfosten gestützte Dächer vorzustellen,[2] die von allen Seiten Einblick gewähren. Ortswechsel werden durch Aufstehen der Schauspieler in einem stant oder durch den Zug von Schauspielern zu einem bestimmten stant angezeigt. Das bedingt, dass sich auf der Bühne mehrere Handlungen simultan vollziehen können.[3] Man kann also beim Publikum eine große Flexibilität im Verfolgen des Gesamtgeschehens annehmen.[4] Frauenrollen wurden in geistlichen wie auch in weltlichen Spielen üblicherweise von Männern repräsentiert; dies umfasst auch die Verhandlung weiblicher Stereotype. Im Brixener Passionsspiel etwa erwägt der Apostel Thomas als Grund, Gott habe sich zuerst Frauen gezeigt und den Auftrag gegeben, seine Auferstehung zu verkünden, da Frauen ohnehin nicht schweigen könnten (Wackernell 1897, 424, 4245–4250).
Im Jahre 1514 wurde in Bozen ein siebentägiges Passionsspiel aufgeführt. Hierzu liegt ein Bühnenplan Rabers vor, den bereits Reinhold Nordsieck in die Bozner Stadtpfarrkirche hineinprojiziert.[5]
Die Weite der Bühnenanlage wird im Bozner Abendmahlsspiel vom Precursor (Spielansager) eingefordert: „Precursor dicit Rigmum: […] Darumb sey in andacht ein yeder man/ Vnd thue das in gottes nam/ Vnd eng vns nyempt zw kainer czeitt,/ Darumb stet vmb yn dy weytt“ (Lipphardt/Roloff Bd. 1, 375–376, 28–31). (Darum möge jeder andächtig sein und das im Namen Gottes tun, und uns [=die Schauspieler] niemand zu irgendeinem Zeitpunkt einengen, deshalb umsteht uns in weitem Kreis.)[6]
Die geistliche Spieltradition
Tanz, Instrumentalspiel und Gesang
Zwar bestand eine dauerhafte Restriktion des Tanzes im Mittelalter,[7] aber es sind auch liturgische Tänze bzw. mit dem Kirchenraum oder mit liturgischen Anlässen und Prozessionen verbundene Tänze belegt.[8] Man könnte auch an die vor allem in der Mystik beliebten Vorstellungen vom (himmlischen) Tanzen denken mit Jesus als Tanzmeister, der den himmlischen Reigen anführt.[9] Nach Richard Leighton Greene wurde zu Liedern wie Josef lieber nefe mein/Resonet in laudibus sogar in der Kirche getanzt.[10] Der Tanz im Kirchenraum könnte also – nach entsprechenden Restriktionen seitens der Kirche – in die geistlichen Spiele verlagert worden sein. Bei Marias Ankunft im Himmel im Innsbrucker (Thüringischen) Maria Himmelfahrtsspiel wird ein Tanz durch Raphael und Michael in Aussicht gestellt. Zunächst sagt Raphael: „Kunig aller gewaldiger herren,/ Wir wullen vil gerne dir czue eren/ tanczen unnd unser frawen czue prise/ und singenn manche suße wise“ (Mone 1841, 87, 2435a–2439). (König aller mächtigen Herren,/ wir wollen sehr gerne dir zu Ehren/ tanzen, und unserer Frauen (Maria) zum Lobe/ auch singen manche süße Weise.) Michael präzisiert: „nue tancz wir alle, daz ist myn rat“ (Mone 1841, 87, 2455). (Nun tanzen wir alle, das schlage ich vor.) Gegen Ende des Spiels kommen selbst Spielleute zum Einsatz: „Rex dicit: Nue schlat uff ir spellute,/ und pauck frolichen hute,/ und czyn wir alle hen mit salden,/ daz ez got von hymmel muz walden“ (Mone 1841, 104, 3084a–3088). (Der König sagt: Nun schlagt auf, ihr Spielleute, und paukt heute fröhlich, und ziehen wir alle von hinnen mit Segen, dass Gott vom Himmel es beschütze.) Die Engel fungieren oft als Erklärer und Deuter des Spiels; diese Deutungen singen sie. Eine Regieanweisung zur Divisio Apostolorum (Diaspora) kann das Verfahren der Inszenierung zeigen: „Deinde apostoli recedunt dividentes se in circulum. chorus interim/ cantat: cives apostolorum. hic apostoli separantur ab invicem. Angeli/ cantant ad laudem dei“ (Mone 1841, 29, 268a–c). (Danach ziehen sich die Apostel zurück, indem sie sich in einem Kreis verteilen. Inzwischen singt der Chor: Cives apostolorum. Hier trennen sich die Apostel voneinander. Die Engel singen zum Lobe Gottes.) Es werden sogar die Gesangsarten bestimmt, wenn Simon zum Gesang aufruft: „und singet uwir leyse [also]“ (Mone 1841, 42, 766). Sogar Synagoga tritt singend auf: „Ad laudem vel synagoga cantat“ (Mone 1841, 37, 572a). (Zum Lob singt die Synagoge.) Nicht von ungefähr listet daher Peter Dinzelbacher bei den Bestandteilen spätmittelalterlicher Religiosität die Musik als eigenen Punkt auf.[11] Der Gesang kann auch komischen Zwecken dienen: Im Klosterneuburger Osterspiel singen die Grabwächter das Spottlied Schowa propter insidias,[12] und eine abwertend-verspottende Funktion haben auch die Judengesänge einiger Spiele, die Cantica hebraica; diese Gesänge wurden oft separat eingeübt.[13]
Dramatische Funktionen der Gesänge
Die meisten Szenen des geistlichen Spiels wurden von Musik (in ihren verschiedenen Formen wie Antiphonen, Rezitationen, Chorgesängen) inhaltlich wie strukturell dominiert. Hierbei wurde auch oft die Zuschauergemeinde integriert, mit der Aufforderung, gemeinsam mit den Schauspielern Lieder zu singen. Als Beispiel kann das Trierer Osterspiel dienen, an dessen Ende die Aufforderung steht: „Hude van des dodes banden/ ist unßer here froelychen vff erstanden./ Mit deme sollen wyr froelychen syn/ Vnd laessen alle truren lygen. Et cum hoc incipiet cantor sequentiam Victime paschali etc“ (Mone 1841, 66, 176ff.).[14] (Heute ist von des Todes Banden/ unser Herr fröhlich auferstanden./ Mit ihm sollen wir fröhlich sein/ und alles Trauern liegen lassen. Und damit beginnt der Kantor die Sequenz Victimae paschali usw.) Hier ist davon auszugehen, dass die Zuschauer in das Lied eingestimmt haben. Häufig wurden solche bekannten Lieder in die geistlichen Spiele integriert. Sie sind oft nur mit dem Incipit in den Spieltexten vermerkt.
Mittelalterliche Autoren skizzieren ihre Sinneseindrücke bei der Rezeption von Musik: „Listening and singing, the experience of music, are portrayed as having a corporeal effect that produces sensations of an intense sensory and emotional character.“[15] Bernhard von Clairvaux fordert, dass ein Lied das Ohr liebkosen und das Herz erreichen müsse,[16] und Thomas von Aquin äußert, dass sowohl stimmliche als auch instrumentale Musik in der Lage sei, die Seele auf Gott auszurichten.[17] In eine ähnliche Richtung geht Roger Bacon, wenn er schreibt, dass eine Melodie die Macht habe, die christliche Devotion zu gewährleisten.[18] Resümierend hält Wolfgang Fuhrmann diese und vergleichbare Aussagen fest: „Wesentlich für die christliche Musikanschauung ist die existenzielle Verankerung des Singens: Man muss an die Inhalte des Gesungenen mit aller Inbrunst glauben, und das wiederum hat zur Folge, dass man sie auch in seinem Leben im Wortsinn beherzigen muss.“[19] Demnach konnten die geistlichen Spiele durch ihre oft zahlreichen Liedeinlagen, die bisweilen auch die Zuschauergemeinde mitgesungen hat, eine besondere emotionale Wirkung erzeugen. Es scheint sogar, dass die Vermittlung von emotionalen und kognitiven Gehalten durch die Musik der Spiele derjenigen des Kirchenchorals an Fülle und Variabilität zu vergleichen war. Die Frage von Hansjürgen Linke, ob „man im Mittelalter schon Affekte komponieren und so Melodien zu Bedeutungsträgern machen wollte und konnte“, darf bejaht werden.[20] Die Musik in den geistlichen Spielen ist dabei gewissermaßen als paralleles Erzählen aufzufassen: „Der differenzierte stimmliche Ausdruck des Gesangs kann Textinhalte verständlich oder doch verstehbar machen, auch wenn das Wort nicht verstanden wird.“[21]
Ausdruckscharakter der Musik
Bei ihrer Untersuchung der Musik der in den Sterzinger Spielen überlieferten Marienklage stellt Sabine Prüser fest, dass die Melismenlegung zur Betonung bestimmter Wörter dienen kann, denn durch die Setzung der Melismen auf Wörtern wie wainen oder herczenlaid, die kurzzeitig den Quintraum erweitern oder die phrygische Halbtonfigur e-f-e-d-e verwenden, wird das Leid musikalisch versinnbildlicht.[22]
Auch bietet die Integration geläufiger Lieder die Möglichkeit des Einfühlens in präsentiertes Geschehen, was bis zur Evokation von Compassio reichen kann.[23]
Entsprechend werden in der Tiroler Spieltradition Gesang und Instrumentalmusik gleichermaßen genutzt: „Ibi tanguntur Instrumenta musicalia. Post hoc Saluator cantat“ (Lipphardt/Roloff, Bd. 1, 42, 732ab). (Hier werden Musikinstrumente gespielt. Danach singt der Erlöser.) Dabei ergänzen sich in mischsprachigen Spielen gesungene lateinische (canere / cantare) und im Sprechgesang vorgetragene deutschsprachige (dicere) Passagen.
So wird „das Hin- und Herpendeln zwischen ritualisierter Feierlichkeit und lebensweltlicher Dramatik […] für ein lateinunkundiges Publikum zu einem einprägsamen Erlebnis. Es erhält seine pastorale Sinngebung dadurch, daß die lateinischen Texte meistens von einer Gruppe (den Engeln, Marien, Aposteln), die deutschen Gegenstücke dagegen von einer Spielerfigur aus diesem Ensemble vorgetragen werden: Durch sie kann sich jeder einzelne Zuschauer im Akt des Verstehens in das heilsgeschichtliche Geschehen integrieren, dessen Gültigkeit der Gruppengesang bei den liturgiesprachlichen Textpassagen versinnbildlicht.“[24]
In Rabers Passion wird die Grabwache mit großem korporalen und musikalischen Aufwand im Rahmen einer Sing-/Tanzprozession inszeniert: „Primus miles dicit volens ire: Wier varen dahin mit schalle,/ Wier rueffn vnd singen alle,/ […] Drummb tretet all auf mein gespor,/ Get mir nach, ich ge euch vor./ Et sic vadunt ad sepulchrum cantando: Wir sullen zu dem grabe gan [etc.]/ Secundus miles Waxring dicit ad primum: […] Gern tancz wir, nun sinng vnns vor./ Primus miles Vnuerczagt cantat vt prius vel aliud: Wier sullen vmb daz grabe gan/ vt supra” (Lipphardt/Roloff Bd. 3, 93–94, 2275a–2278a). (Der erste Kriegsmann, der abgehen will, singt: Wir fahren dahin mit Schalle/ wir rufen und singen alle: […] Darum tretet nach mir in meine Spur/ geht mir nach, ich geh euch vor. / So gehen sie zum Grab, singend: Wir sollen zu dem Grabe gehn […] Der zweite Kriegsmann, Waxring, sagt zum ersten: […] Wir tanzen gern, nun sing uns vor. Der erste Kriegsmann, Unverzagt, singt wie zuvor oder etwas anderes: Wir sollen um das Grabe gehn, wie oben.)
Ausrichtung auf die Zuhörer
Weit verbreitet in den Spielen ist der Gesang des Liedes Christ ist erstanden, das vom Publikum mitgesungen wurde,[25] das sich dadurch in das Spielgeschehen integrierte. Die erzählenden Gesänge können auch die Funktion eines Bühnenbildes übernehmen, da sie den Hintergrund des Geschehens illustrieren.[26] Joerg Fichte wird durch die Anzahl von in Spielen integrierten Gesängen (er benennt u. a. im Sterzinger Passionsspiel 82, in Pfarrkirchers Passion 79, im Bozener Spiel 61 Gesänge im Laufe der Passionshandlung) motiviert, diese in die Nähe von Singspielen zu rücken.[27] Er nimmt überdies eine Milderung des grausamen Geschehens durch Musik an, entweder, indem Jesus selbst singt oder indem von anderen gesungen wird.[28] Die gesungenen „Silete“(„Schweigt“)-Rufe, die oft vor einschneidenden Darstellungen stehen (z. B. im Wiener Osterspiel vor der Höllenfahrt Christi oder vor der Erscheinungsszene) haben u. a. die Funktion, die aus den Szenenwechseln resultierende Unruhe im Publikum zu besänftigen.
Die Zweckorientierung der geistlichen Spiele ist die religiöse Belehrung und Erbauung; dementsprechend steht nicht unbedingt die künstlerische Elaboriertheit im Vordergrund, sondern die Allgemeinverständlichkeit im Sinne der Wirkungsabsicht einer breit gestreuten religiösen Vermittlung von Heilstatsachen.[29] Wie Linke darlegt, ist das geistliche Spiel „Massenmedium des Mittelalters“.[30] Eine Scheidewand zwischen geistlichem und weltlichem Spiel zu etablieren, entspricht nicht mittelalterlicher Auffassung, gerade die Techniken der Theatralisierung sind aufgrund ähnlicher Voraussetzungen vergleichbar. Dementsprechend leisten die geistlichen, genauso wie die weltlichen Spiele einen wichtigen Beitrag zur städtischen Kultur.
Musik und Tanz in der Neidhartspieltradition
Überblick
Die Neidhartspiele sind als „a special type of comedy“[31] eine besondere Form der weltlichen Spiele. Erhalten sind fünf Neidhartspiele des ausgehenden Mittelalters – das St. Pauler Neidhartspiel, das Große Neidhartspiel, das Sterzinger Neidhartspiel, das Sterzinger Szenar und das Kleine Neidhartspiel. Mit dem Neidhartspiel von Hans Sachs zeigt sich die kontinuierliche Rezeption des Stoffes, die mit der Bearbeitung als Ballett (Salvatore Viganò, Das wiedergefundene Veilchen, Aufführung 1795 im Wiener Kärntnertor-Theater) bis in die Neuzeit reicht.
St. Pauler Neidhartspiel, Großes Neidhartspiel
Das wohl in Schwäbisch Gmünd aufgezeichnete, nach einem auf 1367 datierten lateinischen Brief eingetragene St. Pauler Neidhartspiel,[32] eines der ältesten überlieferten weltlichen Spiele überhaupt, wurde 1895 im Benediktinerstift St. Paul (Lavanttal/Kärnten) entdeckt (A-SPL Cod. 261/4, Papierhs., 22,5 x 15 cm; 272 Bl.). Es weist nur 58 gesprochene Verse und drei Sprecherrollen (Einschreier, Herzogin und Neidhart) auf.
Das Große Neidhartspiel mit 2624 Zeilen (2268 Sprechverse) ist mit sechs anderen Spielen in einer Sammlung, wohl aus Tirol, aus den ersten Dekaden des 15. Jh. überliefert.[33] Vielleicht wurde das Spiel mit Unterbrechung bzw. an zwei Tagen aufgeführt, da der Einschreier (Precursor) einen zweiteiligen Aufbau nahe legt.[34] 103 Rollen werden namentlich erwähnt (davon 69 Sprecherrollen).[35] Musik spielt eine dominierende Rolle.
Singende Teufel, invalide Bauern
Bei der Teufelsszene des Großen Neidhartspiels vermutet Konrad Gusinde, dass der Lobgesang Luzifers – „Da singn die Teuffl all mit einander dz gesangk/ Luciper vnserem heren/ Süllen wir alle eren/ Poldrius paldrius poldrianus“ (Margetts 1982, 69, 1632–1635) – „von einem grotesken Teufelstanze“ begleitet gewesen sei.[36] Diese Teufel müssen durch Kostümierung und Requisiten identifizierbar gewesen sein, auch in Abgrenzung zu den Bauern. Teufel traten in Spielen oft in schwarzer, tierhafter Gestalt mit langen Schneidezähnen, unförmigen Bäuchen, auf Krücken gestützt, flink und wendig, schreiend, fluchend und mit expressiver Mimik auf,[37] sie trugen bisweilen Masken, Klauen an Händen und Füßen sowie einen Schwanz und Fell. Als Requisiten dienten Stangen, Keulen, Haken, Ketten, Stricken, Kessel etc.[38] Die Aufführung erforderte von den Interpreten der Teufel stimmgewaltige Darsteller, die den gefährlichen Charakter dieser Höllenwesen durch schreckliches Geschrei verdeutlichen sollten.[39]
Dabei ist die Verbindung von Musik und Teufel auffällig, denn in Pfarrkirchers Passion rühmen sich die Teufel, dass sie „zw wegen müg pringen/ Manige hoffart vnd Rppigkayt“ (viele Arten von Hoffahrt und Vergnügung hervorbringen), und dazu zählt freilich „Singen, springen vnd hoffieren“ (Lipphardt/Roloff, Bd. 2, 181–182, 3581a–3592). Der „Tercius Diabulus dicit Rossenkrantz“ lobt sich selbst: „Ich hays fürst Rossenkrancz./ Ich haysz dy lewt springen an dem tancz“ (Lipphardt/Roloff, Bd. 2, 182, 3598a–3600).
Die weiteren zahlreichen höfischen und „dörperlichen“ (unhöfischen, bäuerlichen), mit Musik unterlegten Tänze im Großen Neidhartspiel, die einen erhöhten Raumbedarf konturieren und möglicherweise das Spiel gliederten, führen zu Gusindes Wertung, das Spiel sei „ein vollständiges Tanzspiel.“[40] Da die Bauern ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel als Invaliden charakterisiert sind, muss eine gewisse Unbeholfenheit der Bewegungen (auch beim Tanz!) angenommen werden, die als Fehler des Körpers Komik erzeugen konnte.
Sterzinger Neidhartspiel, Kleines Neidhartspiel
Die Neidhartspiele selbst, sowie die ikonographischen Rezeptionsdokumente, deuten an, dass Spiele um das Veilchenthema für Tirol typisch waren und sich im gesamten südlichen deutschen Sprachraum verbreiteten.[41] Die Neidharttradition im Tiroler Gebiet wird weiter dokumentiert durch zwei auf etwa 1511 datierte Sterzinger Spieldokumente (vermutlich aus Bozen): ein Spieltext (Sterzinger Neidhartspiel) und ein Dirigierheft (Sterzinger Szenar).[42] Das Szenar (28 Bl.) wird in einem Papier-Heft überliefert (22,5 x 16,2 cm); es stimmt inhaltlich weitgehend mit dem Sterzinger Neidhartspiel überein, die Regieanmerkungen sind im Szenar allerdings erwartungsgemäß ausführlicher. Benötigt werden etwa 50–60 Schauspieler.[43] Die Handschrift des Sterzinger Neidhartspiels (15 Kanzleipapierbogen, mittig zu einem Heft gefügt, etwa 27 x 19 cm) mit 1064 Zeilen (796 gesprochene Verse[44]) zeigt eine funktionale Textformatierung durch den Schreiber, der das Sterzinger Szenar und das Sterzinger Neidhartspiel eingetragen hat.[45] Die Zusammenhänge zwischen Szenar und Spiel sind umstritten; Anton Dörrer vermutet: „Das Szenar stellte […] ein wesentlich neu ausgestaltetes Regiebuch gegenüber dem Spieltext dar“[46], „vom oder für den damaligen Spielleiter geschrieben […], um den Spielbrauch möglichst theatralisch-eindrucksvoll auszugestalten.“[47] Max Siller hingegen geht von der Kongruenz der Spiele aus; Abweichungen erklärt er als noch im Rahmen mittelalterlicher Abschreibegepflogenheiten und mit Anforderungen der Improvisationskunst.[48]
Die vielleicht am Stadtrand lokalisierte Spielfläche des Spiels mit 40 sprechenden und etwa 20 stummen Rollen war möglicherweise „an outdoor jousting field surrounded by barriers.“[49] Es begann mit einer hierarchisch geordneten, musikalischen Prozession der Schauspieler zur Spielbühne; auch der Gang zum Veilchen wurde als Musikparade um das Spielfeld herum inszeniert. Während zwei Herolde das Spiel ankündigten, trat die Truppe in den Ring, um auf Stühlen und Bänken Platz zu nehmen. Für die Musiker war dabei ein eigener Stand vorgesehen. Die Einschreier des Sterzinger Szenars und des Sterzinger Neidhartspiels baten um wohlwollende Aufnahme des Stücks und bagatellisierten vorab Fehlleistungen der Schauspieler, „Wann Sy künnent nit alle lesn/ Jr sint Ettliche nye zG SchGl gewesen“ (Margetts 1982, 124, 34–35) (Denn sie können nicht alle lesen,/ es sind einige nie zur Schule gegangen). Auch in Tiroler geistlichen Spielen gibt es Aufforderungen, qualitativ minderwertige Performanz von Schauspielern zu exkulpieren, so in Pfarrkirchers Passion:
Dar vmb seyt petrüebt heint in got
Vnd treybt dar aus nicht schimpf noch spot,
Als man manign groben menschen vindt,
Als paldt er enpfint,
Das ainer in einem reim misredt
So treibt er dar aus sein gespöt
Vnd lacht des spils gar,
Das man nicht thuen solt fürwar,
Wan es doch zw eren Ihesu Crist
Gänczlich angefangen ist
(Lipphardt/Roloff, Bd. 2, 47, 749–758).(Deshalb trauert heute in Gott,
Und zieht daraus weder Schimpf noch Spott,
wie man manchen groben Menschen findet,
der, wenn er bemerkt,
dass einer in einem Vers sich verspricht,
sich davon zum Spott berechtigt fühlt
und das Spiel sogar auslacht,
was man wahrlich nicht tun sollte,
da es doch zur Ehre Jesu Christi
ganz und gar bestimmt ist.)Ermahnungen in Spielen, bei Versehen der Schauspieler nicht zu lachen, können entweder mit Linke als „ein Reflex des Publikumsverhaltens“[50] oder mit Dorothea Freise als vorgreifende Präventivmaßnahme erklärt werden.[51]
Das am Ende des 15. Jahrhunderts entstandene Kleine Neidhartspiel wurde wohl als ursprüngliches Marktspiel (Spiel, das auf dem Marktplatz im Freien aufgeführt wurde) in ein fastnächtliches Einkehrspiel (Spiel, das in Privathäusern oder Gaststuben aufgeführt wurde) transferiert.[52] Es ist, zusammen mit anderen Nürnberger Fastnachtspielen, in der Wolfenbütteler Sammelhandschrift G (» Wolfenbüttel, Herzog August Bibl. (D-W) Cod. 18.12 Aug. 4°) tradiert. Das Kleine Neidhartspiel hat nur 198 gesprochene Verse (insgesamt 236 Zeilen), allerdings über 20 Sprecherrollen. Es weist nur spartanische Regieanmerkungen auf. Die Tänze und gerade der Schlusstanz im Kleinen Neidhartspiel weisen auf das Fastnachtsbrauchtum voraus.
Aufführung und Publikum
Die ältesten Aufführungsbelege zu Neidhartspielen (aus Arnheim) datieren auf 1395 und 1419.[53] Weitere Belege stammen aus Baden/Schweiz (1432), Nürnberg (1479, 1488), Bamberg (1488), Passau, Kloster St. Nikola (1488), Preßburg/Bratislava (1492), Salzburg (1497, 1518, 1535, 1539, 1546, 1558), Eger/Cheb (1516), Laufen/Salzach (1517), Butzbach (1517, 1518) und Burghausen (1519).[54] Zählt man zu den genannten Notizen noch einen Brief Maximilians I. aus dem Jahre 1495 hinzu,[55] liegen insgesamt 21 externe Hinweise zum Neidhartstoff vor. Auffällig ist die Präsentation von Neidhartspielen für eine klerikale Klientel. Die Aufführung der größer konzipierten Neidhartspiele als Freilichtspiele in ihrer „besondere(n) Art von ‚Öffentlichkeit‘“[56] erforderte beträchtliche monetäre und künstlerische Ressourcen; Aufführungen in wohlhabenden Städten wie Nürnberg, Bozen oder Sterzing boten sich daher an.
Früh wurde in der Forschung diskutiert, ob die Spiele als „Maispiele“ im Frühling (z. B. Gusinde) oder als „Fastnachtspiele“ zwischen Winterende und Frühlingsanfang (z. B. Dörrer) aufgeführt wurden. Man bemühte dazu den (höfisierten) Brauch am Wiener Hof zur Zeit Leopolds VI., im März (!) nach dem ersten Veilchen Ausschau zu halten, außerdem den Brauch der Maibuhlschaft.[57] Allerdings wird das „Veilchenfest“ von Erhard Jöst und Eckehard Simon mit gewichtigen Argumenten in den Bereich der romantischen Mythenbildung verwiesen.[58] Denn erhaltene Aufführungsbelege machen die Fastnachtszeit als Aufführungstermin der Neidhartspiele wahrscheinlich, der für nahezu alle belegten Neidhartspielaufführungen bis 1558 gilt.[59] Das Sterzinger Neidhartspiel und Szenar wurden auf einem durch Schrannckn abgesteckten Platz aufgeführt;[60] gleichwohl wird das Argument der zu großen Kälte bei einer Aufführung im Freien (Februar oder März) durch bezeugte Aufführungen von Spielen im Winter entkräftet.[61] Die Spieler des Sterzinger Szenars zogen in einer bestimmten Ordnung zum Freilichtplatz ein, was an prozessuale Auftritte der geistlichen Spiele erinnert: Es sollten die pfeyffer mit begleitenden Ordnungskräften voran gehen, „das Volck aus dem wege zeweysn“ (das Volk aus dem Weg zu weisen), danach folgten der Precursor und in hierarchischer Abfolge die restlichen Personen (Margetts 1982, 123–124, 1–21). Dieser prozessionsartige Einzug ist auch in anderen Spielen der Sterzinger Spieltradition belegt, so im Spiel ‚Rex Viole‘.
Ordo processionis: primoprocedunt comes et miles, deindeduos Juuenes post portantes duosgladios, post modum seruus regis cumprecursore habentes baculos, et postmodum Juuenis post regentem por[-]tans in manibus suis gladiumnudum, deinde rex et post regemseruus comitis et militis, deindefilia regis, quam ducit studens, deinderegina, quam domicellus dusit, deindedue virgines, seruus domicelli et studentisducentes, Tandem rusticus cum amasia sua,finaliter seruus rustici cum Matrerusticy et ante filiam regis lutifigulus(Bauer 1982, 268–269, 1086–1100)
(Prozessionsordnung. Voran gehen der Graf und der Ritter, dann zwei junge Männer, die zwei Schwerter tragen, danach ein Diener des Königs mit dem Precursor, beide mit Stäben, dann nach dem Spielleiter ein junger Mann, der in den Händen ein bloßes Schwert hält. Dann der König und nach ihm die Diener des Grafen und des Ritters, dann die Tochter des Königs, geführt vom Studenten, dann die Königin, geführt vom Höfling, dann zwei Jungfrauen, geführt von den Dienern des Höflings und des Studenten. Schließlich der Bauer mit seiner Liebschaft, zuletzt der Knecht des Bauern mit dessen Mutter und vor der Königstochter [noch] der Lautenspieler.)Wenn John Margetts die Frage aufwirft, ob Bauern im Publikum der Neidhartspiele gewesen seien, die an der Komik teilhaben konnten,[62] so ist dagegen zu halten, dass das Publikum der Neidhartlieder in höfischen Kreisen zu suchen ist. Jöst vermutet, „daß auch bei den Spielen zunächst nur Hofkreise als Zuschauer auftraten, in zunehmendem Maße dann auch Bürgerkreise mit den Aufführungen angesprochen worden sind.“[63] Als Publikum des Großen Neidhartspiels adressiert „der vor lauffer“ (Precursor) die Adelskreise („Fürsten, Grafen, Herren, Ritter vnd ‘ritters kind‘“), aber auch „kauflewt“, die jedoch bestimmte Kriterien erfüllen müssen, nämlich, dass sie „mit hübschait/ Sich ziern künen jn hohe klaid, wol geperen und guten lewten hoffieren“ (mit Eleganz in vornehmen Kleidern erscheinen, sich anständig gebärden und wohlgeborenen Leuten den Hof machen) können (Margetts 1982, 17, 2–16).
Die Schwankliedtradition
Zahlreiche Neidhartiana-Lieder[64] rücken Schwänke in den Mittelpunkt; bereits in einem relativ frühen Stadium wurden wohl einzelne Schwankerzählungen dramatisch bearbeitet und aufgeführt, was insbesondere für den ‚Veilchenschwank‘ zutrifft. In der Schwankliedtradition stehen Situationsbeschreibungen aus der Ich-Perspektive als eine Art Rahmenerzählung vor dem eigentlichen Bericht. In den Spielen ersetzt ein Precursor diese Ich-Rede: „Der Prolog zunächst vertrat nicht nur den Theaterzettel, da er Titel und Personen – was sich in jener Zeit mit der Inhaltsangabe des Stückes deckt – angibt, er vertritt auch den Vorhang.“[65] Im Großen Neidhartspiel sorgt der „vor lauffer“ in einer langen Einschreierrede (66 Verse) für Ruhe mit „Schweiget hört und vernemet alle“ (Margetts 1982, 17, 3) und stellt die Herzogin von Österreich vor, als deren Bote er sich stilisiert; sukzessive ruft er die Akteure hinzu und umreißt ihre Funktion im Spiel. In den Neidhartspielen der Tiroler Spieltradition haben die Akteure oft komisch sprechende Namen, z. B. Treybmschalkh im Spiel ‚Ipocras‘ (Bauer 1982, 90, 44) oder gretl pruntz jn stall und Schlickenprein im Großen Neidhartspiel (Margetts 1982, 26, 296 bzw. 27, 339). Diese sind schon aus der Liedtradition, insbesondere aus Neidharts Winterliedern[66], bekannt. Adaptiert wird in den Neidhartspielen die Dörperfigur der Lieder, allerdings in ihrer literarischen Rolle ständisch als rusticus oder pawer ausgewiesen.[67] Bereits in Zusatzstrophen zu Neidhartliedern manifestieren sich spezifische Interessen von Bearbeitern, so die Prolongation von Kampfhandlungen oder Androhungen von körperlichen Versehrungen.[68]
Der in den Liedern kultivierte Kontrast von bäuerlichen und höfischen Tänzen wird in den Spielen mit bemerkenswerter Vehemenz akzentuiert. Die Instruktion für einen Tanz lautet z. B.: „so die vortanzer danne swigen,/ so sult ir alle sin gepeten,/ daz wir treten/ ob ein hovetanzel nah der geigen“ (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 1, 234, R 33, II, 9–12) (wenn nun die Vortänzer ruhig sind, so seid ihr alle gebeten, dass wir noch einen höfischen Tanz nach der Geige tanzen). Das offenbart, dass sich die Vortänzer, denen die anderen Teilnehmer nachfolgen sollten, auch als Vorsänger betätigten. [69] Hieraus ergibt sich möglicherweise ein Hinweis auf die Aufführung solcher Tänze oder Gesangsszenen in den Neidhartspielen.[70]
Gesang und Tanz in den Neidhartspielen
Die Veilchensuche erfolgt im Großen Neidhartspiel unter der Betonung der höfischen Hochstimmung: Man ist frölich, wie es auch die entsprechende Liedtradition vorsieht: In dem Lied Urlaub hab der winter,[71] das Neidharts Suche nach dem Veilchen und dessen Auffinden charakterisiert, wird fröide insgesamt fünf Mal erwähnt.[72] Die Schwanklieder und die Neidhartspiele spiegeln dabei das Liedgut des historischen Sängers Neidhart: Im Lied Urlaub hab der winter singt Neidhart nach dem Finden des Veilchens „wol laut“ (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 2, 61, c 17, II, 5), im Großen Neidhartspiel will er unter Gesang zurück zur Herzogin, um die frohe Botschaft zu überbringen: „Aller erst wil ich heben an/ Ze singen das ich gelernt han/ Der Naythart kert wider haim zu der hertzogin/ mit frölichem gesang“ (Margetts 1982, 37–38, 672–675). Gesangseinlagen sind aus der Sterzinger Spieltradition bekannt, z. B. aus dem Spiel ‚ain zendprecherey‘( Ein Zahnarztbesuch): „Gredt: Sy, mein nachper gratz, thue yns ain liedl singen!/ Es get dir woll so raingkhlach vom mund./ Grätz: Sy, mein gret, wenn Ich nur ain guetz kundt,/ So wollt Ich thuen Nach deim rat./ Gredt: Sy, mein gratz, sing: het Ich ain puelln, als menige hat./ da singt der Grätz“ (Bauer 1982, 153, 306–314). (Grete: Sieh, mein Nachbar Gratz, sing uns ein Liedchen! Es geht dir ja so sauber vom Mund. Grätz: Sieh, meine Grete, wenn ich nur ein gutes könnte, so würde ich tun, was du vorschlägst. Grete: Sieh, mein Grätz, singe: „Hätt‘ ich einen Buhlen, wie manche (einen) hat“. Da singt der Grätz.)
Wie in den Sterzinger Werbespielen wird auch in den Gerichtsspielen musiziert, z. B. ‚Rumpolt-Mareth‘-Spiel I (Bauer 1982, 315, 663); ‚Ludus de erhardo‘, (ebda. 326, 345) ‚Juristis‘ (ebda. 368, 376). Wenn im Spiel ‚quatuor filias‘ die einzelnen Töchter verheiratet werden, wird Laute gespielt: „Pater ad lutifi[gu]lum: N., lieber diener meinn,/ nun richt vns zu lieb die lautn dein,/ Das sy mügn tanczen vnd springenn./ So mag In dan des pas gelingenn./ et sic corisant“ (Bauer 1982, 278, 269–274). (Der Vater zum Lautenspieler: N., lieber Diener mein, nun richt‘ uns zu Liebe die Laute dein, damit sie tanzen und springen können, dann wird es ihnen umso besser gelingen. So tanzen sie.) Auch im Spiel ‚der verstossen Rumpold‘ wird gesungen: „Rumpold: mir ist mein hercz so gar gering,/ das ich gleich von rechtn freiden sing./ Da get er singund/ zu den weibern“ (Bauer 1982, 390, 181–184). Auffällig sind Anweisungen und Schlussbemerkungen am Ende von Spielen der Tiroler Spieltradition im Rahmen von musikalischen Inszenierungen, so beim ‚Ludus de erhardo‘: „Mareth: Spilman, pfeyff mir auf zu gefallen!/ Et sic est finis/ Precursor wene possit dicere rithmum/ vltimum in eodem ludo in conclusio: Ir hern, nun seyt wolgemut etc.“ (Bauer 1982, 328, 394–399). (… Und das ist das Ende. Der Precursor kann einen letzten Vers in diesem Spiel zum Beschluss sprechen: Ihr Herren nun seid wohlgemut usw.)
Bauerntanz in den Neidhartspielen
Tanz um das Veilchen
Bei der Veilchensuche sind in allen Spielen neben dem Gesang auch Tanz und Instrumentalmusik der Adligen und der Bauern omnipräsent: Zum rayen (Reigen) sollen im Großen Neidhartspiel paucken und sayttenspil, pfeyffen und schalmayen dienen; Neidhart fordert: „Jr spillewt machet vns ain süessen don“, komplettiert durch die Regieanmerkung: „Da pfeyfft man auff mit fröden […] Vnd Neythart füert dye hertzogin/ vnd Tantzen vmb dem veyol“ (Margetts 1982, 38–39, 701–720). (… und sie tanzen um das Veilchen.)
Auch das Sterzinger Neidhartspiel (Margetts 1982, 175, 235–238) inszeniert hier mit einigem Aufwand, vgl. das Szenar: „So steent die Pfeyffer auf Jr/ Ort, vnd pfeyffent zu Tanntz,/ So tanntzt der Neydthardt/ mit der Herzogin, auch die/ Ritter vnd Jungkfrawen,/ Vnd die Pawrn mit Jren/ Weybn vnd Dyern nach Jn“. (So stehen die Pfeifer auf ihren Plätzen … und die Bauern mit ihren Frauen und Mädchen nach Ihnen.) Im Großen Neidhartspiel ist die Beauftragung von Musikanten auffällig, wenn einer der Bauern fordert: „So wellen wir gen frolichen/ Die spill leUt hayssen auff pfeyffen/ Da tantzen die pawren hyn gen hoff“ (Margetts 1982, 19, 90–92). (So wollen wir fröhlich gehen, die Spielleute anweisen, aufzuspielen. Da tanzen die Bauern hin zum Hof.) In diesem Spiel beschreiben die Bauern überdies ihre Kostümierung selbst: „Ja ich trag auch ain gneytten/ Hye an meiner seytten“ (Margetts 1982, 54, 1194–1195). (Fürwahr, ich trage hier ein Schwert an meiner Seite.); „Jch trag heUr nun mein erstes schwerd/ Vnd han ain newes gürttlgewant“ (Margetts 1982, 25, 266–267). (Ich trage in diesem Jahr mein erstes Schwert/ Und habe ein neues Gürtelgewand).
Die Holzschnitte des Neithart Fuchs zeigen bei der Darstellung des Veilchenschwanks eine Stange,[73] auf der das Veilchen drapiert wurde und um das die Bauern tanzen (Bobertag 1884, 158), wie im Großen Neidhartspiel: „Da hayst aber auff pfeyffen vnd die pawren/ heben aber an zu tantzen“ (Margetts 1982, 45, 924–925).
Geschichtliche Interpretation der Bauernauftritte
Blickt man speziell auf die Neidharttradition, wird in Neidharts Liedern – in den wenigen Ausnahmen des Vorkommens – mit (ge)bûre der Bauernstand, mit dörper oder dörpel dessen Verhalten signalisiert, es wird ein plumpes, täppisches, unpassendes Benehmen skizziert. Der Dörper in Neidharts Liedern, der generell normtransgredierend in Bezug auf seinen Stand agiert,[74] wird in den Spielen und im Neithart Fuchs zum pawr, der Dörperfeind Neidhart zum Bauernfeind. Als Gegenbilder[75] bergen die Bauernfiguren die Möglichkeit von Parodie, denn einer der beiden thematischen Schwerpunkte der Parodiebewegung des 13. Jahrhunderts ist „die kritische Selbstreflexion des Adels gespiegelt in der Gegenüberstellung mit der Figur des Bauern.“[76] Die Auftritte der Bauern in den Neidhartspielen, „Engelmâr’s village dandies“[77], können wohl am ehesten auf der Grundlage von Neidharts Dörperliedern, aber auch von der Darstellung der Bauern im Drama her beurteilt werden:
„Das Verfahren, im Bauern ein Gegenbild zu entwerfen – das von bäuerlicher Realität weit entfernt ist –, unterliegt also einer starken Abstufung. Ist im Schwank ein Klischee ausgeprägt, das nur dazu dient, verlacht zu werden und allenfalls die Negativierung sonst geltender Regeln in einer ‚verkehrten Welt‘ vorzuführen, so setzt der Sänger Neidhart das Gegenbild ein, um eine sehr viel differenziertere Wirkung zu erzielen.“[78]
Margetts verweist auf soziale Unruhen und einen Bauernaufstand des Jahres 1525 in Sterzing und betont einen gegen die Bauern gerichteten sozialkritischen Aspekt der Spiele.[79] Mit Blick auf die Interpretation der Tiroler Spiele ist die herausragende sozialgeschichtliche Stellung der Tiroler Bauernschaft bedeutend, die umfassende Vorteile und Rechte genoss, da die Bauern direkt dem Landesfürsten von Tirol subordiniert waren, der sie zuungunsten ständischer Tiroler Noblesse protegierte; die Bauernkriege und speziell der Tiroler Bauernkrieg von 1525 sind Teil einer späteren Entwicklung.[80] Die historische Situation zeigt demnach zwei widerstreitende Parteien, ein starkes Bauerntum und einen depravierten Landadel.
Mittel der Parodie
Aus diesem historischen Befund ergibt sich auf die Spiele übertragen eine Parodierung bäuerlicher Anmaßung. Gerade die Schlussrede Neidharts an die Bauern im Sterzinger Neidhartspiel, die bäuerliche Laster wie Dummheit, Geilheit, Trunksucht und Verstoß gegen die Kleiderordnung anprangert, wertet Siller dementsprechend – trotz Derbheiten – nicht als komisch, sondern als „restaurative Sozialkritik aus der Perspektive des Bürgers und Adligen, der Versuch, angeborene, anererbte oder neuerworbene, neuangemaßte Privilegien gegen die Ansprüche einer niedereren Schicht zu verteidigen“[81], und er sieht Neidhart als Integrationsfigur, die vor diesem Hintergrund ein Verspotten erlaubt habe. Allerdings schließen sich Komik und Diffamierung letztendlich nicht aus, sondern im Gegenteil kann Komik als Mittel der Diffamierung instrumentalisert werden. Die Bauern werden gerade durch ihre „performance“ als animalisch, entmenschlicht-triebhaft vorgeführt: Im Sterzinger Neidhartspiel wird z. B. das Lärmen der betrunkenen Bauern umrissen, sie „habent ain wylds Leben/ gröppytzn vnd schreyen“ (Margetts 1982, 194, 916–917), und die szenischen Darstellungen auf einem Bildstreifen an der nördlichen und südlichen Längswand des Festsaales des Anwesens „Tuchlauben 19“ in Wien (Erwerb im Jahre 1398) präsentieren die Protagonisten „mit plumpen, unförmigen Körpern“.[82] (Vgl. » B. Das Phänomen „Neidhart“ und » Abb. Wirtshausszene mit Tanz)
Bramarbasierendes Drohen ist zur Genüge aus der Neidharttradition bekannt, so aus dem Lied Do der liebe sumer urloup genam: „ich […] slah im mit willen eine vlaschen, daz im die hunt daz hiern ab der erde muzzen naschen“ (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 1, 124, R 16, VII, 9–12). (Ich […] schlage ihm absichtlich auf den Kopf, dass ihm die Hunde das Gehirn von der Erde lecken sollen.) Exaltiertes Prahlen mit stimmlicher Potenz der Bauern deutet im Großen Neidhartspiel auf unprofessionelle Einlagen und auf das Improvisationstalent eines Darstellers, der „singt wz er wil: Wolher ich wil vns ains singen/ Dz peste lieyd dz ich singen kan/ Vnd newlich gelernt han“ (Margetts 1982, 85, 2167–2170). (singt was er will: Wohlauf, ich will uns eines singen, das beste Lied, das ich singen kann, und kürzlich gelernt habe.) Die Relevanz von Gesängen zur Komisierung verdeutlicht der Mönch-Schwank des Großen Neidhartspiels; hier singen sie „all vnder einander“ und dazu „ein yeglicher waz er will“ (Margetts 1982, 65–66, 1546–1553). Als Turnier mit Musikuntermalung beschreibt das Sterzinger Neidhartspiel die große und lange vorbereitete Schlägerei zwischen den Bauern und den um Neidhart versammelten Rittern: „Inn deme greyfft Neydthardt mit Seinn/ Gselln die Pawrn an / Schlahent alle anein-/annder / vnd die Spylleüte pfeyffent die-/weyle“ (Margetts 1982, 185, 592–595). Auch der Bauerntanz artet in eine Schlägerei aus – „Der tantz ist wol ains hawens wert“ (Margetts 1982, 88, 2259) (der Tanz ist gewiss eine Schlägerei wert) – und damit wird überdeutlich die Verbindung von Tanz und Prügel als korporale Ausdrucksmittel sichtbar, wie es auch die Rumpoldspiele andeuten: „So Sy ain weyll/ getanczt haben,/ So stost schlag[-]/ in hauffn den/ peterman“ (‚der verstossen Rumpold‘, Bauer 1982, 410, 829–833). Zur Ridikülisierung trägt die Selbstcharakterisierung des Bauerntanzes im Großen Neidhartspiel durch Bauern bei, die diesen als waydeleich bezeichnen (Margetts 1982, 28, 366). Die Tanzweise wird durch Regenpart charakterisiert: Es ist „Ain hüpsche[r] stoltze[r] trit, nach newen hofsitt“ (Margetts 1982, 78, 1956–1957). (Ein höfischer vornehmer Schreittanz nach neuer Hofsitte.) Die Bauern tanzen ihn „auff den zehen“ (Margetts 1982, 79, 1958), dazu singen sie „Jre lied“ (Margetts 1982, 79, 1961). Das Große Neidhartspiel beschreibt die Musik des Bauerntanzes: „Egkereich hebt mit leyren an“ (Margetts 1982, 86, 2209). (Egkereich fängt an die Drehleier zu spielen.) Zum Tanz tragen sie „sporen die klingen“ (vgl. bereits das Lied Urlaub hab der winter (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 2, 63, c 17, V, 10)). Wurden Bauerntänze und höfische Tänze parallel auf der Bühne inszeniert, konnte dieser Kontrast die Komik steigern, denn das Bemühen um Höfischsein der Bauern (Regieanmerkungen fordern, man möge „hofelich“ agieren, so im Sterzinger Neidhartspiel (Margetts 1982, 170, 51) dürfte in Verbindung mit dem entsprechenden Aufzug schlicht albern gewirkt haben: „Die Kopie ritterlicher Art, wie die reichen Protzen sie versuchten, übertrieb natürlich, wenn auch nicht so stark, wie es die stärker auftragende Satire tut; und so wirkten die bäuerischen Gecken gewiss auch objektiv komisch.“[83] Eventuell beinhaltet diese Gestaltung auch eine Kritik an höfischen Sitten durch deren antagonistische Überzeichnung.
Adlige, Bauern und Städter
Nach der Zusage des verkleideten Neidhart an die Bauern im Großen Neidhartspiel, Neidhart werde ihnen ausgeliefert, führen sie „Von fröden“ einen Tanz auf (Margetts 1982, 95–96, 2494–2496); da die Bauern zu diesem Zeitpunkt bereits invalid sind, dürfte dieser Tanz entsprechend grotesk ausgefallen sein. Der Autor war hier vielleicht bestrebt, „die Bauern, die trotz ihrer Stelzbeine von ihrer Tanzwut nicht lassen konnten, mit ihrem ungeschickten Humpeln, das sie obendrein Hoftanz nannten […], erst recht lächerlich zu machen.“[84] Deutlicher noch als in der „peasant charade“[85] der Neidhartlieder wurden Bauern in den Spielen aktiv in ihrem Aussehen und ihrem Verhalten vorgeführt. Ambiguitäten der Lieddtradition wurden in den Spielen vereindeutigt. Vielleicht waren die Neidhartspiele im Spätmittelalter gerade deshalb so beliebt, weil sie dem städtischen Publikum die Möglichkeit boten, sich nach beiden Seiten hin abzugrenzen, gegenüber dem Adel, aber auch gegenüber den Bauern als Projektionsfiguren für ‚verbotene‘ Vitalität und Trieberfüllung, die im Arbeitsalltag des Bürgers hinderlich gewesen wären. Sowohl die Adligen (bzw. deren Umständlichkeit, Ineffizienz, Rückgriff auf Gewalt zur Problemlösung) als auch die Bauern (u. a. aufgrund des lächerlichen Aneignens höfischer Kultur) standen zur komischen Disposition, was dem Publikum ein Ver-Lachen und damit eine Abgrenzung vom Adels- bzw. Bauernstand und eine eigene Positionierung erlaubte. Demnach hatten die Neidhartspiele zumindest für städtische nichtadelige Zuschauer weniger eine didaktische als eher eine integrative Funktion, und sie boten gerade diesen Zuschauern auch eine Möglichkeit zur Selbstvergewisserung.
[1] Vgl. Linke 1987, 150.
[2] Vgl. Bergmann 1984, 71.
[3] Vgl. Bergmann 1989, 424.
[4] Vgl. Wildenberg-de Kroon 1988, 151.
[5] Vgl. Nordsieck 1945, 117.
[6] Alle Übersetzungen des Essays stammen von Reinhard Strohm.
[7] Vgl. Baumgartner 1974, 102–107, 111–112; Daniels 1981, 24, 33, 49; Berger 1985, 29; Hammerstein 1974, 45–47; Hammerstein 1990, 48.
[8] Vgl. bereits Spanke 1930, 143–170; Spanke 1932, 1–22; Chailley 1969, 357–380, mit Bildmaterial; Baumgartner 1974, 102–112; Daniels 1981, 22–336; Berger 1985, 29–31, 34; Hammerstein 1990, 48. Besonders die Springprozession von Echternach ist zu nennen, vgl. van Baaren 1964, 112; Chailley 1969, 357; Baumgartner 1974, 111.
[9] Beispielsweise spricht Heinrich Seuse vom (himmlischen) Tanz in positiver Weise, vgl. Bihlmeyer 1907, 21. Zum Leben Seuses siehe Bihlmeyer 1907, Kap. XXIII, 69 und zu dem grossen Briefbuch, IX. Brief, 432–433. Siehe auch die bei Banz 1908, 99–100 angeführten Stellen, z. B. „J e s u s i s t T a n z m e i s t e r. […] ‚Do fFrt Ihesus den tancze mit aller megde schar‘“ ( 99); „J e s u s s p i e l t u n d t a n z t v o r […] ‚Jesus der tanzer maister ist, Zu swanzet hat er hohen list, Er wendeth sich hin, er wendet sich her, Si tanzent alle nach sîner ler …“ ( 99); „H i m m e l s t a n z. a) a l l g e m e i n. […] ‘Si (die jungfräuliche Seele) wurd dort [in der Ewigkeit] iren gemahel schowen .., Und für an der megde schar, Da nieman mer an getar, An der junkfrowen tanz‘ […] b) J e s u s f ü h r t d e n h i m m l i s c h e n R e i g e n a n“ (99–100).
[10] Vgl. Greene 1977.
[11] Vgl. Dinzelbacher 1990, 22–23.
[12] Vgl. Pfeiffer 1908, 25ff.
[13] Vgl. Thoran 1996, 252–253.
[14] Zum Trierer Osterspiel vgl. Hennig/Traub 1990; Traub 1988.
[15] Largier 2003, 9. Siehe auch Davidson/Davidson 1998. Hier werden als Werkstattbericht praktische Aufführungsbeipiele der Neuzeit beschrieben, z. B. die Visitatio Sepulchri (Fleury), das Sponsus-Spiel von St. Martial, das Lazarusspiel (Fleury), das Peregrinusspiel, der Ludus Danielis (beide Beauvais) und der Ordo Virtutum von Hildegard von Bingen.
[16] Vgl. Schueller 1988, 357.
[17] Vgl. Schueller 1988, 385.
[18] Vgl. Loewen 2004, 248.
[19] Fuhrmann 2004, 13.
[20] Linke 1985, 61.
[21] Henkel 2004, 42.
[22] Vgl. Prüser 1994, 151.
[23] Vgl. Prüser 1994, 157.
[24] Janota 2004, 357. Vgl. auch Mehler 1981, 247–259, der Differenzierung empfiehlt und präzisiert, dass dicere oft diejenige Vortragsart hervorruft, die in der Liturgie an dieser Stelle gefordert war.
[25] Vgl. Schuler 1951, 13.
[26] Vgl. Schuler 1951, 43.
[27] Vgl. Fichte 1993, 285.
[28] Vgl. Fichte 1993, 285–286.
[29] Vgl. Bergmann 1989, 419.
[30] Linke 1971, 358.
[31] Simon 1969, 5.
[32] „Das St. Pauler (schwäbische) Neidhartspiel ist […] nach dem 10. Februar 1367 aufgezeichnet worden. Ob die Abschrift zur Ausstellungszeit des Originals, kurz danach (also noch 1367) oder einige Zeit später (um 1370) gemacht wurde, muss offen bleiben.“ (Simon 2003, 47)
[33] Vgl. Simon 1969, 6.
[34] Wolfgang Spiewok veranschlagt als zusätzliches Argument, dass die körperlichen Verausgabungen durch Tanz und Prügeleien eine notwendige Erholungspause der Darsteller suggerieren (Spiewok 1997, 13), was aber m. E. nicht zwingend ist, da man über Art und Dauer der jeweiligen Szenen kaum Aussagen treffen kann.
[35] Vgl. Margetts 1982, 284.
[36] Vgl. Gusinde 1899, 107.
[37] Vgl. Schuldes 1974, 99–100.
[38] Vgl. Schuldes 1974, 128–129 (mit Beispielen), 130–132.
[39] Vgl. Spiewok 1988, 189.
[40] Gusinde 1899, 166. „Es findet sich keine Szene, die nicht mit einem Tanz eingeleitet (!) bzw. mit einer Massenprügelei beendet wird.“ (Ten Venne 1989, 145).
[41] Vgl. Marelli 1999, 45 (“una materia tipicamente tirolese […], che si diffuse in tutte le regioni meridionali di lingua tedesca“).
[42] Diese „[z]um Gebrauch des Spielleiters angefertigte und damit bestimmten spieltechnischen Erfordernissen unterworfene Dirigierrollen […] erlauben einerseits eine relativ zuverlässige Rekonstruktion des Inszenierungshergangs [….]; andererseits geben sie Aufschluß über die Arbeitsweise mittelalterlicher Regisseure, die Proben und Aufführungen anscheinend in der Regel anhand eines solchen Hilfsmittels leiteten“ (Neumann 1979, 164).
[43] Vgl. Margetts 1982, 303.
[44] Zeilenangabe nach Margetts 1982, 309; zur Problematik von Margetts’ Zählung, der die Zeilen nach der Handschrift umbricht und zählt (mit entsprechend verfälschendem Resultat) siehe Siller 1985, 397–398.
[45] „Durch dreimaliges Längsfalten der Blätter schuf er zunächst drei die Schrifträume markierende Vertikallinien. Der dritte Längsknick bildet nur auf den Versoseiten, wo er als erster erscheint, eine Markierlinie […]. Links vor dem ersten Knick (am Knick im Szenar) trägt er in rot die Sprecherbezeichnungen ein, im Szenar dazu Kurzfassungen von fünf Regieanweisungen […]. An der ersten Falte beginnen mit Versalien die Sprechverse, die sich über den Rest der Seite erstrecken. […] Die Regieanweisungen (rechte Blatthälfte) beginnen in beiden Heften am Mittelknick.“ (Simon 2003, 153–154)
[46] Dörrer 1950, 376.
[47] Dörrer 1950, 378.
[48] Vgl. Siller 1985, 400–402.
[49] Simon 1969, 10.
[50] Linke 2004, 83.
[51] Vgl. Freise 2002, 471–472.
[52] Vgl. Simon 2003, 136.
[53] Arnheim/Arnhem [1395] „Primo te Vastelavont [Februar 23] die gesellen spoelden her Nyters spil 12 quarten [Wein], 3 lb 4ß.“; [1419] nach Februar 2: „Den gesellen die her Nytarts spoel spoelden 25 quarten ad 3 bl 5 fl.“ (Simon 2003, 367, Nr. 2 und 369, Nr. 19).
[54] Simon 2003, 370, Nr. 29; 425, Nr. 350 und 430, Nr. 381; 370, Nr. 31; 443, Nr. 461; 444, Nr. 462; 447, 477–478; 480–483; 385, Nr. 120; 393, Nr. 160; 378–379, Nr. 67 und 68; 378, Nr. 64.
[55] Der Brief Maximilians ist abgedruckt bei Simon 2003, 392, Nr. 154.
[56] Glier 1965, 555.
[57] Vgl. Böckmann 1949, 187–188.
[58] Vgl. Jöst 1976, 124 ff.; Simon 1968, 458–474.
[59] Vgl. Simon 2003, 24. Mit dem Zeitpunkt der fastnächtlichen Aufführungen im Tiroler Gebiet beschäftigt sich Graß 1956/57, 204–237: „Unter der Regierung Erzherzog Ferdinand II. von Tirol erhoben Kirche und Verwaltungsbehörden ernsthafte Bedenken gegen die volkstümlichen Mummereien, besonders gegen die lustigen Volksgewohnheiten während der Fastenzeit“ (214). Ein Dekret der landesfürstlichen Regierung aus dem Jahre 1569 fordert dementsprechend die Verlegung des Brauchs in die Zeit vor Aschermittwoch (215), ohne den Brauch selbst zu problematisieren.
[60] Vgl. Margetts 1982, 276. Der Platzbedarf war enorm durch die vielen zeitgleich agierenden Personen (und die Sitze für etwa 60 Spieler) gerade bei Tänzen oder Kämpfen.
[61] Vgl. Simon 1977, 97.
[62] Vgl. Margetts 1982, 264–265 und ferner Margetts 1975, 158.
[64] Zu diesen vgl. besonders auch » B. Das Phänomen „Neidhart“.
[65] Zellweker 1906, 3.
[66] Die Lieder Neidharts werden, entsprechend dem jahreszeitlich differierenden Natureingang der Lieder, in Sommer- und Winterlieder unterteilt.
[67] Vgl. Vögel 1997, 168.
[68] So z. B. im Lied Do der liebe sumer urloup genam (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 1, 124, R 16, VI).
[69] Vgl. Simon 1975, 114–115. D. h., dass die Vortänzer zu ihrem Tanz selbst sangen.
[70] Mit dem „hovetanzel nah der geigen“ könnte ein Reigentanz gemeint sein; Bauerntänze sind in ikonographischen Belegen um 1500 fast ausschließlich als Paartänze dargestellt.
[71] Bei dem Lied Urlaub hab der winter handelt es sich um das in der Nürnberger Papierhandschrift c aus dem 15. Jahrhundert (entstanden zwischen 1461 und 1466, D-B Ms. germ. fol. 779) notierte Veilchenlied (fol. 149r –149v). » B. Das Phänomen „Neidhart“.
[72] Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 2, 61–63, c 17.
[73] Die Holzschnitte werden abgebildet in Bobertag 1884; vgl. auch Jöst 1980 und Jöst 2000.
[74] Vgl. Schweikle 1994, 418, 425, 428.
[75] „Was in den Winterliedern zusammenfassend die dörper im negativen Sinne auszeichnet, und was besonders durch das Verhalten ihres Gegenspielers, des höfisch sich benehmenden Einzelgängers, deutlich wird, ist ihre Unhöfischkeit, sind ihre Verletzungen und Übertretungen ritterlich-höfischer Werte, vor allem von mâze und zuht. Neidharts dörper sind […] die Gegentypen, Gegenbilder zu dem ebenfalls zunächst im literarischen Bereich geschaffenen Idealtypus des höfischen Menschen, dem Ritter“ (Schweikle 1994, 423–424).
[76] Blank 1979, 216.
[77] Simon 1968, 458.
[78] Cormeau 1986, 56. Siehe auch Franz 1976. Zur Komik, die durch Gegenbildlichkeit entsteht, siehe Jauß 1976, 103–132.
[79] Vgl. Margetts 1982, 266–268.
[80] Vgl. Mayer 1976, 177–190; Blickle 2004.
[81] Siller 1985, 389.
[82] Blaschitz/Schedl 2000, 100.
[83] Brill 1908, 73.
[84] Gusinde 1899, 166.
[85] Traverse 1997, 1.
Empfohlene Zitierweise:
Andrea Grafetstätter: „Die Tiroler Spieltradition. Musik und Tanz in geistlichen und weltlichen Spielen „, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/die-tiroler-spieltradition-musik-und-tanz-geistlichen-und-weltlichen-spielen> (2016).