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Zum Überlieferungsprofil von Obrechts Missa Salve diva parens

Birgit Lodes

Jacob Obrechts Missa Salve diva parens, die möglicherweise im Kontext von Erzherzog Maximilians Königskrönung im Frühjahr 1486 in Aachen komponiert wurde (» D. Obrechts Missa Salve diva parens) ist heute noch in zahlreichen Quellen aus dem ausgehenden 15. und 16. Jahrhundert überliefert. Barton Hudson listet in seiner kritischen Ausgabe der Messe insgesamt 16 Quellen; acht davon geben nur einen Ausschnitt der Messe wieder.[1] Typischerweise gibt es kein zeitgenössisches Autograph (zu einer Ausnahme bei Heinrich Isaac, siehe » I. Isaac’s Amazonas, Kap. „Ysaac de manu sua“). Generell ist Musik der Zeit überwiegend in handschriftlichen Abschriften überliefert, seit 1501 zunehmend auch in Musikdrucken, die auf dem freien Markt vertrieben wurden und unterschiedliche Rezipienten hatten.[2] Gelegentlich kennt man spätmittelalterliche Kompositionen (nicht aber die Missa Salve diva parens) zudem aus Tabulaturen – quasi Arrangements – für Laute oder Tasteninstrumente (» C. Musik für Tasteninstrumente, Kap. Fragmente einer (Wiener?) Organistenwerkstatt). Schließlich fanden kompositorisch interessante Abschnitte nicht selten auch ihren Weg in musiktheoretische Abhandlungen der Zeit (vgl. Kap. Theoretica und Musizierbücher) bzw. wurden für die didaktische und instrumentale Praxis separat notiert. Die frequente Überlieferung einer Komposition in  den heute noch erhaltenen Quellen darf – trotz der Tatsache, dass man immer mit einem erheblichen Quellenverlust zu rechnen hat – als Indikator für ihre seinerzeit weite Verbreitung bzw. hohe Bekanntheit gelten.

Obrechts Missa Salve diva parens bietet ein gutes Beispiel für die Veranschaulichung der medialen Aufzeichnungs- und Verbreitungsmöglichkeiten mehrstimmiger Vokalmusik um 1500.[3] Aus dem österreichischen Raum sind vier Quellen zu dieser Messe überliefert.

[1] Hudson 1990XIXXXIV.

[2] Dazu Lodes 2008.

[3] Eine allgemein verständliche Einführung bietet Lindmayr-Brandl 2014b; in Lindmayr-Brandl 2014a finden sich auch konzise Einführungen in die Mensuralnotation (Lindmayr-Brandl 2014c), Tabulaturschriften (Aringer 2014) und Tanznotationen (Malkiewicz 2014).