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Eine fremde Klangwelt

Marc Lewon

Schließlich soll mit dem Instrumentenmuseum auf für heutige Hörerwartungen vielleicht überraschende Klangeigenschaften einzelner Instrumente hingewiesen bzw. ein Bewusstsein für ein Instrumentarium geweckt werden, das, selbst wenn es vordergründig vertraut erscheint, einer fremden Klangwelt angehört. Gründe dafür können eine andere Bautechnik, andere Einsatzbereiche oder eine andere Spieltechnik der Instrumente sein.

Zu den betroffenen Instrumenten zählt die Harfe, die zu dieser Zeit und in dieser Region stets mit „Schnarrhaken“ gespielt wurde. Das sind kleine, hakenförmige Stifte, die am unteren Ende der Saiten so an die Saiten herangeführt wurden, dass sie beim Anreißen einen schnarrenden Klang erzeugen – ein Klang, der sich so gar nicht mit der modernen Vorstellung von einer Harfe vereinbaren lässt. Dieser sorgt jedoch für eine große Klangverschmelzung mit Streichinstrumenten, was einem homogenen Ensembleklang zugute kommt. Zugleich verstärken die Schnarrhaken die Resonanz des Instruments, so dass der relativ kleine Korpus einen durchdringenden Ton hervorbringt und die Harfe deswegen bisweilen sogar zu den „lauten“ Instrumenten gezählt wurde.

Ein anderes Beispiel ist die generell monoxyle Bauweise der Streich- und mancher Zupfinstrumente, bei der der Korpus aus einem Stück Hartholz ausgehöhlt wurde, anstatt – wie später – aus einzelnen, mitunter gebogenen Teilen zusammengesetzt zu werden. Diese Baupraxis hat direkte Auswirkungen auf den Klang der Instrumente. Sie sind dadurch lauter, klingen aber auch schärfer und projizieren gerichteter als spätere Instrumente mit Baumerkmalen, die eher auf einen runden Ton und Klangfülle ausgelegt sind.

Bei anderen Instrumenten ist es eine von späteren Praktiken abweichende Spieltechnik, die den von heutigen Hörerwartungen abweichenden Klang hauptsächlich prägt. Dazu gehört die Laute, die erst ab dem späten 14. Jahrhundert Bünde erhielt und bis ins späte 15. Jahrhundert hinein fast ausschließlich mit dem Plektrum gespielt wurde. Diese Spieltechnik beeinflusst zum einen Klangfarbe und Lautstärke des Instruments, das sich dadurch in einem Ensemble beispielsweise gegenüber Streichinstrumenten gut durchzusetzen vermag. Zum anderen gibt sie einen bestimmten Rahmen an Spielmöglichkeiten vor, der sich von dem für das spätere Fingerspiel unterscheidet. Kurzum, die Idiomatik einer mit Plektrum gespielten Laute hebt sich deutlich von einer mit Fingern gezupften ab. So wird das solistische Spiel von Polyphonie durch den Einsatz eines Plektrums zwar nicht verhindert, aber eingeschränkt und in bestimmte Bahnen gelenkt.

Der Gesang, das wohl wichtigste „Instrument“ des Spätmittelalters und daher auch für die meisten der aufgenommenen Hörbeispiele, hat keinen eigenen Eintrag im Instrumentenmuseum, da Möglichkeiten und Klangfarben völlig von den einzelnen Sängern abhängen. Die Stimmen werden in den Hörbeispielen sowohl solistisch als auch chorisch eingesetzt, in Verbindung mit Instrumenten und a cappella.