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Die Klangwelt des Krieges in den Texten: Feldspiel und Lärmen

Deanna Pellerano

Obwohl einzelne Dichter und Melodien nur sporadisch mit der Erfahrung des Schlachtfelds assoziiert werden können, ist die Klangwelt des Krieges in den Dichtungen durchgängig präsent. Die Beschreibung von musikalischen Ensembles, Kampfsignalen und Waffen erlaubt es, sowohl die potenzielle Verwendung als auch die Aufführungspraxis zeitgenössischer Feldmusik besser zu verstehen. Zudem kann auf dieser Grundlage eine allgemeine Rezeption von Krieg und Klang skizziert werden.

Unter den in den Dichtungen erwähnten musikalischen Ensembles findet sich keines, dass eine ähnlich hohe Frequenz aufweist wie das Trommel- und Pfeifenensemble. Das „Feldspiel“ diente als Standardbesetzung des Fußvolkes und stellte ein identitätsstiftendes Symbol für die Landsknechte dar.[60] In historisch-politischen Liedern über den Krieg gehörte es zur klanglichen wie zur visuellen Ausdrucksform des Gedichts. Die Häufigkeit des „Feldspiels“ in Liedtexten lässt sich mit der wachsenden Menge an visuellen Darstellungen der Landsknechte im 16. Jahrhundert vergleichen, die oft Darstellungen dieses Ensembles enthielten und eine starke Assoziation mit dem Soldatentum mit sich gebracht haben dürften. Insbesondere in Schweizer Chroniken finden sich zahlreiche Darstellungen des Ensembles, was auf ein wachsendes zeitgenössisches Bewusstsein, für das bis dahin im Kriegskontext wenig bekannte Ensemble zurückgeführt werden kann.[61] In Diebold Schillings Bernerchronik, die die Erzählung des Waldshuterkrieges im Sommer 1468, einem Konflikt zwischen der Eidgenossenschaft und den Habsburgern, beinhaltet, ist das „Feldspiel” sowohl bildlich als auch schriftlich dargestellt. In einer Strophe eines Liedes, das die Ereignisse des Jahres 1468 erzählt, findet sich folgende Beschreibung:

Man hört in pfifen und trummen,
ruch sach man sin můt,
ins Sunckow ist er kumen,
was Hesingen nit gar gůt![62]

(Man hörte ihn Pfeifen und Trommeln,
rau sah man seinen Mut
Ins Sundgau ist er gekommen
war Hesingen gar nicht gut!)

[Abb.]

Im Vergleich dazu finden sich Erwähnungen von Trompetern und Heerpaukern in geringerem Umfang und sie treten nur selten gemeinsam mit Pfeifen- und Trommelensembles in einem Gedicht auf. Dies lässt sich vermutlich auf die sozialen Unterschiede zwischen den beiden Instrumentengruppen zurückführen. Die erste Gruppe war in stärkerem Maße mit der Kavallerie assoziiert, während die zweite nicht nur allgemein mit dem Fußvolk, sondern auch speziell mit den Schweizer Söldnern in Verbindung gebracht wurde. Dennoch bildeten Trompeter und Heerpauker einen wesentlichen Bestandteil der Klangwelt des Krieges. In Michel Beheims Lied „von graff Issgra“ über den Sieg des böhmischen Grafen Johann Giskra von Brandeis über den ungarischen Heerführer Johann Hunyadi bei Losontz in 1451 erfolgt eine Einbindung des Trompeten- und Paukenensembles in eine längere, allein dem Klang gewidmete Strophe:

Da wart entplasset manig swert,
man hart laut schreien rass und pfert
und den harnusch erklingen.
Es waz ain prastel und ain schal.
der wal ain halbe meil erhal
von schiessen, slahen, swingen.
Von pauken und trummeten
hart man auch ainen grassen tass.
sich hub mang ungefuger stass,
gross tringen sy da heten.[63]

(Da wurden viele Schwerter gezogen
Man hörte Ross und Pferd laut schreien 
und den Harnisch erklingen
Es war ein Prasseln und ein Schall
Der wohl eine halbe Meile ertönte
von Schießen, Schlagen, Schwingen.
Von Pauken und Trompeten
hörte man auch ein großes Getöse.
Sich hob manch ungefüger Stoß;
Es herrschte ein großes Gedränge.)

Obwohl Schlachtmusik oft nur im Kontext des Lärms wahrgenommen wird, bieten sich manchmal Hinweise auf ihre Signale und deren Bedeutung. Es verdient besondere Beachtung, dass Liedtexte unser Wissen über die sogenannten „Lärmen“ und „Umbschlagen“, Signale, die erstmals im 17. Jahrhundert musikalisch notiert wurden und für die sich überwiegend nur schriftliche Hinweise erhalten haben, ergänzen können.[64] Die Signale „Lärmen“ und „Umbschlagen“ gehören zu den am häufigsten verwendeten Signalen des Fußvolks. Letztgenannter Ausruf wurde sowohl mit musikalischem Klang als auch mit verbalem Befehl artikuliert. Es fungierte als Instrument der Ordnungsdurchsetzung und konnte zur Zusammenrufung von Soldaten, zur Übermittlung von Informationen oder gar zur Sanktionierung ordnungswidrigen Verhaltens eingesetzt werden.[65] In den wenigen Fällen, in denen „Umschlagen“ in solchen Texten Erwähnung findet, lässt sich feststellen, dass sich das als Verb verwendete Wort auf das Schlagen von Trommeln im Allgemeinen bezieht.[66] Jedoch lässt sich, sofern das Signal angedeutet wird, auf einige Verse aus einer Dichtung über den Aufruhr in Danzig im Jahr 1526 Bezug nehmen. Der Text verweist auf eine Situation, in der die Soldaten tatsächlich aufgefordert wurden, sich zu versammeln, um nach dem Schlagen der Trommeln Anweisungen zu erhalten.

Bald do die trommen weren umbgeschlan,
wer bei den abrunstigen wolte stan,
der solt kommen auf den Tamm
und hören ir vornemen an.[67]

(Bald wurden die Trommeln da umgeschlagen,
wer bei den Abtrünnigen stehen wolle,
der solle zum Damm kommen
und ihr Vorhaben anhören.)

Demgegenüber ist der Begriff des „Lärmens“, der seinen Ursprung im Ruf „à l’armes“ oder „zu den Waffen“ findet, enger mit dem Aufruf zur Schlacht und dem Kampf selbst verbunden.[68] Folglich ist es nicht verwunderlich, dass das „Lärmen“ häufig als Element der Auslösung oder des Verlaufs einer Schlacht in Schlachterzählungen genannt wird. In der von Hans Sachs verfassten Dichtung über die Belagerung Wiens im Jahre 1529, „Der türkischen Belagerung der Stadt Wien mit Handung beider Teil auf das kürzest ordentlich begriffen“, übernimmt das „Lärmen“ die Klangwelt der Stadt, die ansonsten von den jetzt stumm gebliebenen Glocken ausgefüllt wurde.

Kein glocken höret man mer schallen,
auch teilet man auß die quartier
den hauptleuten wider und für
an den mawern, thürnen und thoren;
die plätz auch da verordnet woren,
darauf ein iedes fänlein trat,
so man schlug lerman frü und spat.[69]

(Keine Glocken hörte man mehr schallen,
auch verteilte man die Quartiere 
den Hauptleuten für und wider
an den Mauern, Türmen und Toren;
die Plätze wurden auch da verordnet,
auf jeden (Platz) trat ein Fähnlein,
so schlug man Lärmen von früh bis spät.)

In diesem Kontext wird das Lärmen als treffendes Symbol für die Gewalt verwendet, die über die Stadt hereinbrach. Die Vorstellung, dass Wien während der Belagerung von einem „Lärmen” erfüllt gewesen sei, hat sich offenbar in der Nürnberger Rezeption der Belagerung festgesetzt. In einem von Jobst Gutknecht gedruckten Flugblatt, das ein Lied über dieselbe Belagerung enthält, wird das Gefühl der Dauer der Belagerung durch den wiederholten Gebrauch des Wortes „Lärmen” verstärkt, das im Lied immerhin neunmal vorkommt:

Den dreizehenden tage
wol umb die achten stund
ein lerman ward geschlage:
ein ratschlag man erfund,
dem Türken genummen wuren
sechzehen tunn pulver
unter dem Kerner thuren,
den wolt zersprengen er.[70]

(Am dreizehnten Tag
wohl um die achte Stunde
ein Lärmen wurde geschlagen:
einen Hinweis hat man gehört,
dem Türken wurden genommen
sechzehn Tonnen Pulver
unter dem Kärntnertor,
das er zersprengen wollte.)