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Das liturgische Jahr (Kirchenjahr)

Stefan Gasch

Wie heute kaum noch vorstellbar war das Leben des Mittelalters und der Frühen Neuzeit durch die Religion und religiöse Vorstellungen geprägt. Im Christentum ordnete das liturgische Jahr (Kirchenjahr), das hauptsächlich aus den beiden Festkreisen Weihnachten und Ostern bestand und dadurch die zentralen Ereignisse im Leben Jesu (Geburt, Tod und Auferstehung) nachzeichnete, das tägliche Leben wie keine andere Konstante. Erweitert wurden die Hochfeste des Kirchenjahres jeweils mit mehrwöchigen Fasten- und Vorbereitungszeiten (Advent und Quadragesima) und im Falle der nachösterlichen Zeit durch die Einbettung weiterer Feste wie der Himmelfahrt Christi (am 40. Tag nach Ostern) und der Feier der Aussendung des Heiligen Geistes (Pfingsten, am 50. Tag nach Ostern), bevor die Zeit der freien Sonntage im Kirchenjahr begann, deren Anzahl je nach Ostertermin variieren konnte. Hinzu kamen weitere „offizielle“ kirchliche Feiern wie Marien- oder Heiligenfeste, deren Bedeutung je nach Diözese ihr eigenes Gewicht haben konnte, aber auch „individuelle“ Fest- und Gedenktage (Jahrtagsstiftungen für verstorbene Familienangehörige oder besondere Heilige), für deren liturgisch-musikalische Ausgestaltung hohe Geldsummen ausgegeben wurden.

Dieser strikte, sich jährlich wiederholende Ablauf war zeremoniell und musikalisch durch eine vorgeschriebene Liturgie und die mit ihr verbundene Musik bestimmt – Musik, bei der es sich zunächst einmal um ein außerordentlich reiches Repertoire an einstimmigen Gesangsmelodien handelte (dem gemeinhin so genannten „gregorianischen Choral“). Nur zu besonderen Gelegenheiten wurde – um den herausragenden Charakter des jeweiligen Festes in den Vordergrund zu rücken – die Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit erweitert (» E. Musik im Gottesdienst, Kap. Kirchenchoral und „Musik“).