Das liturgische Jahr (Kirchenjahr)
Wie heute kaum noch vorstellbar war das Leben des Mittelalters und der Frühen Neuzeit durch die Religion und religiöse Vorstellungen geprägt. Im Christentum ordnete das liturgische Jahr (Kirchenjahr), das hauptsächlich aus den beiden Festkreisen Weihnachten und Ostern bestand und dadurch die zentralen Ereignisse im Leben Jesu (Geburt, Tod und Auferstehung) nachzeichnete, das tägliche Leben wie keine andere Konstante. Erweitert wurden die Hochfeste des Kirchenjahres jeweils mit mehrwöchigen Fasten- und Vorbereitungszeiten (Advent und Quadragesima) und im Falle der nachösterlichen Zeit durch die Einbettung weiterer Feste wie der Himmelfahrt Christi (am 40. Tag nach Ostern) und der Feier der Aussendung des Heiligen Geistes (Pfingsten, am 50. Tag nach Ostern), bevor die Zeit der freien Sonntage im Kirchenjahr begann, deren Anzahl je nach Ostertermin variieren konnte. Hinzu kamen weitere „offizielle“ kirchliche Feiern wie Marien- oder Heiligenfeste, deren Bedeutung je nach Diözese ihr eigenes Gewicht haben konnte, aber auch „individuelle“ Fest- und Gedenktage (Jahrtagsstiftungen für verstorbene Familienangehörige oder besondere Heilige), für deren liturgisch-musikalische Ausgestaltung hohe Geldsummen ausgegeben wurden.
Dieser strikte, sich jährlich wiederholende Ablauf war zeremoniell und musikalisch durch eine vorgeschriebene Liturgie und die mit ihr verbundene Musik bestimmt – Musik, bei der es sich zunächst einmal um ein außerordentlich reiches Repertoire an einstimmigen Gesangsmelodien handelte (dem gemeinhin so genannten „gregorianischen Choral“). Nur zu besonderen Gelegenheiten wurde – um den herausragenden Charakter des jeweiligen Festes in den Vordergrund zu rücken – die Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit erweitert (» E. Musik im Gottesdienst, Kap. Kirchenchoral und „Musik“).
[1] Eine Auseinandersetzung mit Isaacs Kapellpersonal findet sich neuerdings in Gasch 2015, siehe hier besonders 363–370.
[3] Zur Idee der Monumentalisierung des Kirchenjahres durch mehrstimmige Proprienvertonungen siehe Strohm 2011.
[4] Zu Isaacs Messen siehe generell Staehelin 1977.
[5] Für ein Digitalisat von Isaacs Missa paschalis in » D-Ju Ms. 36, fol. 141v–155r, siehe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:urmel-1bb48d27-d632-4bb7-b381-36e0bae379018-00004515-2851.
[8] Zum Herrscherlob im 15. Jahrhundert siehe » D. Albrecht II. und Friedrich III.
[9] Für eine Rekonstruktion und Übersetzung des gesamten Motettentextes siehe Panagl 2004, 54. Für ein Digitalisat der Motette in » CH-Bu Ms. F IX 55, fol. 4v–7r: http://www.e-manuscripta.ch/bau/content/pageview/311300.
[10] Vgl. zum allgemeinen Hintergrund Haggh 2007, zur besonderen Gegebenheit in Konstanz Körndle 2007. Der Nachweis der Instrumentalbegleitung findet sich in einer Tegernseer Chronik (D-Mbs Clm 1586, fol. 429v–430r).
[11] Für ein Digitalisat der Motette Virgo prudentissima in » CH-SGs Cod. Sang. 464 siehe: http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0464/5v/0.
[12] Die ältere Meinung, dass beide Werke für den 15. August 1507 bestimmt gewesen seien (Dunning 1970, 41) ist fragwürdig, da der Reichstag zu dieser Zeit bereits verabschiedet war. Siehe auch Rothenberg 2011.
[13] Körndle 2007, 96–101.
[14] Obwohl das Bild nicht von Maximilian, sondern von der deutschen Rosenkranzbruderschaft an der Kirche San Bartolomeo in Venedig in Auftrag gegeben worden war, zeigt es in seiner Bildkomposition zahlreiche Elemente von Maximilians Idealisierungsverständnis. Siehe dazu Rothenberg 2011, 78 ff.
[15] Siehe Wiesflecker 1971–1986, Bd. 4, 1–27.
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Gasch: „Heinrich Isaac im Dienst von Maximilians kirchlich-staatlichen Zeremonien“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/heinrich-isaac-im-dienst-von-maximilians-kirchlich-staatlichen-zeremonien> (2016).