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Theologen gegen das Tanzen

Marko Motnik

Die abendländische Polemik für und wider den Tanz reicht bis zu den Anfängen des Christentums zurück. Ebenso alt wie die konsequente Verachtung und Verteufelung des Tanzens sind die Zugeständnisse an die gesundheitsfördernden und heilenden Kräfte der tänzerischen Bewegungen sowie die apologetischen Verteidigungen, die im Tanz ein Abbild des Kosmos und der göttlichen Ordnung zu erkennen glauben. Verschiedenste Sittenprediger zeigten sich besorgt um das Seelenheil der Menschen und haben sich wiederholt mit dem Wesen des Tanzens und dessen Auswirkungen auf den menschlichen Körper und die Seele beschäftigt.[1] Auch in der Region Österreich sind im ausgehenden Mittelalter mehrere Tanzpredigten entstanden. Hervorzuheben sind hier vor allem zwei lateinische Schriften: Sermo de ludo choreae et instrumentorum musicalium (Predigt vom Tanzspiel und musikalischen Instrumenten), ein Werk des Theologen Nicolaus von Dinkelsbühl (1360–1433), das eine enorme Verbreitung erfuhr,[2] und ferner ein darauf aufbauender Sermo De ludo Coree von Georg Tudel von Giengen (» A-Wn Cod. 14352, fol. 109v–114r), [3] auf den an dieser Stelle genauer eingegangen werden soll. Als beachtenswert erweist sich außerdem eine anonyme deutsche Tanzpredigt aus dem 15. Jahrhundert mit dem Titel Was Schaden Tantzen bringt.[4] Sie wird heute zwar in Wien aufbewahrt, stammt aber ursprünglich wohl aus Baden-Baden.[5]

Georg Tudel von Giengen (gest. 1465) kam aus Schwaben und war als Magister artium in den Jahren 1434–1459 an der Wiener Universität tätig. Einige Jahre amtierte er als Dekan der artistischen sowie der theologischen Fakultät und war 1453 und 1462 Rektor der Universität.[6] Von Giengens Sermo De ludo Coree schrieb im Jahr 1457 ein gewisser Johannes Fuhrmann nieder, Bruder des Deutschritterordens in Gumpoldskirchen,[7] wie er sich am Ende der Abschrift selbst bezeichnet.

[1] Zum körperlichen Übel des sogenannten Veitstanzes, vgl. » H. Tanzwut.

[2] Als Verfasser der Predigt ist in mehreren Abschriften Johannes Geuss von Teining (gest. 1440) genannt. Zur Zuschreibung an Dinkelsbühl siehe Püribauer 1947, 30 f. Eine Transkription nach der Fassung von » A-KN Cod. 421, ist ebenda enthalten, 32–63. Vgl. auch eine weitere Geuss zugeschriebene Fassung in » A-Gu Cod. 885, fol. 62v–72v (in einer Gruppe von Predigten des Johannes von Geuss).

[3] Eine Transkription, eine Übersetzung und ein Kommentar sind enthalten in Püribauer 1947, 68–102.

[4] » A-Wn Cod. 3009, fol. 73r–85v. Für eine Edition der Predigt siehe Haupt 1836. Zu diesem und anderen Tanztexten vgl. besonders auch Rainer, Ingomar: Tänze und Tanzpredigten, in: Schusser 1986, 131–134.

[5] Vgl. Stöllinger-Löser 1992.

[6] Aschbach 1865, 526 f..

[7] Franz Unterkircher gibt als Vorbesitzerin die Bibliothek des Deutschen Ordens in Wien an: Unterkircher 1974, 181.