Isaac als Hofkomponist Maximilians I.
In der Funktion des Hofkomponisten bildete Isaac einen zentralen Baustein in der umfangreichen Neustrukturierung der kaiserlichen Hofkapelle. Es oblag ihm, die kaiserlichen Gottesdienste aufwendig mit mehrstimmigen Kompositionen auszustatten und den kaiserlichen Repräsentationsanspruch klanglich nach außen zu tragen. Daneben hatte er für die Musik von außerordentlichen Gelegenheiten zu sorgen, z. B. während des Reichstags in Konstanz 1507 mit der Komposition der sechsstimmigen Staatsmotette Virgo prudentissima (» Hörbsp. ♫ Virgo prudentissima) und der gleichnamigen Messe. Isaac war – wie andere Musiker der Zeit – vermutlich auch als Diplomat für den Kaiser tätig. So traf er in Konstanz beispielsweise Niccolo Macchiavelli. Er wurde 1515 nicht zuletzt mit dem Argument von seinen Pflichten im Gefolge des Kaisers entbunden, dass er in Florenz nützlicher sei als am Hof. Isaac starb am 26. März 1517 in Florenz.
Wie bei anderen Komponisten seiner Generation (Josquin des Prez, Pierre de la Rue, Jacob Obrecht) umfasst Isaacs musikalisches Œuvre eine außerordentliche Bandbreite, die von Karnevalsliedern über das weltliche niederländische/italienisch/deutsche Lied, weltliche und geistliche Motetten bis hin zu Messordinarien und – sein Nachleben im 16. Jahrhundert begründenden – mehrstimmigen Propriumsgesängen reicht. Die breite Streuung an handschriftlichen und gedruckten Quellen wie auch die große Stilvielfalt erschweren eine Einschätzung der genaueren Entstehungszeit der einzelnen Werke. Seine Motetten wie seine Messen entstanden während des gesamten Verlaufs seiner kompositorischen Tätigkeit und spiegeln daher niederländische, italienische und deutsche Einflüsse wider. Aufgrund der Quellenlage und einiger Dokumente lässt sich immerhin glaubhaft machen, dass mit dem Wechsel von Italien in das Habsburgerreich neue repertorielle Herausforderungen an Isaac gestellt wurden. Hierunter war maßgeblich das Projekt eines mehrstimmigen Graduale, das unter der Patronage des habsburgischen Hofes entstand. Dieses umfasste einerseits zahlreiche Vertonungen des Messordinariums auf der Basis von Eigenchorälen (cantus firmi der Choralmesse), sowohl in Zyklen als auch Einzelsätzen (Credos), andererseits das monumentale Vorhaben mehrstimmiger Vertonungen des choralen Messpropriums durch das gesamte Kirchenjahr hindurch, das sich nach Isaacs Tod in handschriftlichen Propriensammlungen seines Schülers Ludwig Senfl (» G. Ludwig Senfl) sowie in der dreibändigen gedruckten Edition des » Choralis Constantinus (Konstanzer Choral) von 1550/1555 niedergeschlagen hat (» I. SL Isaac’s Introit; » I. Isaac’s Amazonas).[1] Somit zeigt Isaacs spätere Schaffenszeit eine deutlich intensivere Auseinandersetzung mit choralbasierten Sätzen, gegenüber den Kompositionen vor seiner Zeit am Kaiserhof, die (z. T. in Parodietechnik) vor allem Lieder, Chansons und andere bekannte musikalische Motive der Zeit verarbeiten.
[1] Die Bezeichnung als “Konstanzer Choral” (der korrekte lateinische Titel wäre Choralis Constantiensis gewesen) ist insofern irreführend, als im Wesentlichen nur die Kompositionen im zweiten Band der Ausgabe für die Reichsstadt Konstanz bestimmt waren.