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O rosa bella (dreistimmig)

Ian Harrison (Schalmei), Gesine Bänfer (Pommer), Hanna Geisel (Pommer)
Trient, um 1466-1470
I-TRbc 89, fol. 119v-120r
eingespielt im Auftrag des FWF-Projekts ,Musikleben’
Gesine Bänfer

Das berühmteste mehrstimmige Lied des mittleren 15. Jahrhunderts war die italienische Ballata (bzw. Giustiniana) O rosa bella, o dolce anima mia von Leonardo Giustinian (1383-1446), dreistimmig vertont von dem Engländer John Bedyngham (†1459/1460). Sie wurde sehr oft adaptiert, mit hinzukomponierten Stimmen versehen (» Hörbsp. ♫ O rosa bella vierstimmig), als cantus firmus für Messen verwendet und in Potpourris verarbeitet. Mit Sicherheit wurde sie oft von Instrumentalisten der lauten und leisen Musik vorgetragen. Eine Anmerkung zur Niederschrift im Codex Tr 89, fol. 119v-120r, bezeugt, dass die Originalfassung von Bedyngham stammt – wie auch eine andere Quelle belegt – und nicht von John Dunstaple, wie man aufgrund einer irrigen Lesung angenommen hatte (» Strohm 1993, 392-393). Das Stück steht im 1. Modus auf G; in der zweiten Zeile fällt eine imitierende Passage absteigender Dreiklänge auf. Die Mittelzäsur ist ein offener Schluss auf dem Dominantklang, obwohl die Ballataform an dieser Zäsur nach mehreren Wiederholungen zum Schluss kommt. Musiker der Epoche dürften einfach einen abschließenden Tonikaklang hinzugefügt haben.

Reinhard Strohm