Comme femme desconfortée
- Ensemble Leones
- dreistimmig
Die Lieder von Gilles de Binche, genannt Binchois, waren im 15. Jahrhundert im deutschsprachigen Bereich wohl die populärsten Kompositionen irgendeines Westeuropäers. Viele Abschriften sind in regionalen Quellen erhalten. Bereits Oswald von Wolkenstein verwendete sie für eine seiner Kontrafakturen (» B. Kap. Die Lieder Oswalds); Hermann Edlerawers Stil ist von Binchois beeinflusst (» Hörbsp. ♫ Rondeau Edlerawer). Das Rondeau Comme femme desconfortée, das oft adaptiert worden ist, auch für Instrumente, bildet die cantus-firmus-Grundlage der Motette Angeli, archangeli von Heinrich Isaac (» Kap. A model, a mass and a motet). Das Stück, das hier nach der aus Savoyen stammenden Handschrift F-Pn Rothschild 2973 („Chansonnier Cordiforme“) aufgeführt wird, hat aber zwei Besonderheiten, die mit seiner Beliebtheit nicht leicht in Einklang zu bringen sind. Erstens ist es ein tieftrauriger Gesang, der einer zum Sterben entschlossenen Frau in den Mund gelegt ist: eine Thematik, der sich französische AutorInnen gelegentlich widmeten, darunter die berühmte Christine de Pisan (1364- ca. 1430) (» I. Frauen). Zweitens gibt es von Binchois‘ Originalfassung beachtliche 10 Quellen, die aber alle nach seinem Tod (1460) entstanden, und nur eine davon schreibt ihm die Komposition zu. Stilistische Züge, wie etwa die Eingangsimitation mit der charakteristischen Melodiekontur innerhalb einer Quarte, und die nach C-Dur tendierende Tonalität, bekräftigen jedoch, dass es sich um ein (spätes) Werk des burgundischen Hofsängers handelt.