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Advenisti/Venisti nostras

Franz Vitzthum, Klaus Wenk, Gerhard Hölzle, Marcus Schmidl
  • Gesang
Trient, um 1456-1460
I-TRbc 88, Nr. 452, fol. 336v-337r
Flos virginum. Motetten und Cantionen
cpo 2015
eingespielt im Auftrag des FWF-Projekts ,Musikleben’
Stephan Reh

Gesänge, die im 15. und 16. Jahrhundert öffentliche Aktionen begleiteten, wurden oftmals in der Form von Motetten bzw. „Staatsmotetten“ komponiert. Dazu gehörten die Begrüssungsgesänge für einziehende Fürsten und Adlige (» D. Fürsten und Diplomaten auf Reisen). Die Akklamation Advenisti desiderabilis aus der Osterliturgie, mit der die in der Hölle schmachtenden Seelen den Heiland begrüßen, wurde gern als weltlicher Huldigungsgesang verwendet, unter Anpassung des liturgischen Textes und oft in mehrstimmiger Vertonung (» B. Geistliches Lied, Kap. Akklamation). Die vierstimmige Motette Advenisti-Venistri nostras im Trienter Codex 88 (» I-TRbc 88) wurde wahrscheinlich zur Trienter Inthronisation des Bischofs Georg II. Hack im Jahre 1451 komponiert und aufgeführt. Sie ist eine echte Tenormotette, deren cantus firmus dreimal in verschnellernder Mensur erklingt; seine Melodie ist nicht diejenige der Osterantiphon, sondern zitiert den Beginn der Fronleichnamssequenz Lauda Sion salvatorem, was für die Aufführungssituation von Bedeutung gewesen sein dürfte. Der zu dem Motto „Advenisti“ hinzugefügte Text Venisti nostras, Georgi, optatus ad urbes ist in lateinischen Distichen humanistischer Art formuliert; vielleicht stammte er bereits von einem früheren Anlass und wurde hier nur zu Ehren von Bischof Georg adaptiert.

Reinhard Strohm