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Die institutionelle Grundlage des Stephanskapitels

Die Errichtung des Kollegiatkapitels zu St. Stephan durch Herzog Rudolf IV. war Teil einer längeren Bemühung der österreichischen Herrscher um die Nobilitierung ihrer bedeutendsten Weltkirche.[xx] Bereits im 14. Jahrhundert wurde die Kirche „der thumb“ oder „die thumkirchen“ genannt; zum Bischofssitz wurde sie erst 1469 bestimmt und 1480 tatsächlich als solcher eingerichtet. Das Kollegiatkapitel, gewidmet allen Heiligen und Engeln, war bereits seit 1358 von Rudolf IV. entworfen und von Papst Innocenz VI. bestätigt worden. Nach Ansicht vieler Historiker war dies ursprünglich eine Stiftung für Herzog Rudolfs fürstliches Pfalzkapitel und eigene Grablege in der Hofburgkapelle, die 1365 nach St. Stephan übertragen wurde.[xxi] Jedoch zeigt Viktor Flieder, dass ein Kapitel in der Hofburgkapelle nie bestanden hat und die Gründung von Anfang an für St. Stephan intendiert war.[xxii] Die Gottesdienste des Stephanskapitels sind in einer herzoglichen Jahrtagsstiftung vom 28. März 1363 beschrieben; sie bildeten, auf der Grundlage des Passauer Diözesanritus, den Ausgangspunkt der weiteren liturgisch-musikalischen Entwicklung der Kirche.[xxiii] Herzog Rudolf schuf hier 25 Präbenden für Chorherren (Kanoniker), von denen einer als Probst die prepositura innehatte. Drei andere leitende Ämter waren der decanatus (Dechant), die thesauraria (Kämmerer, Küster) und die cantoria (Kantor, Sangherr). Ferner gab es 25 (später 26) Präbenden für Kapläne. Der „Chormeister“ (magister chori), der in der rudolfinischen Stiftung nicht genannt ist, war der Senior der mit Seelsorge betrauten Priester (octonarii: Achter).[xxiv] Seine Funktion ist von der des Kantors klar unterscheidbar. [xxv]